"The Booze of Monkey Island": Wenn man die Fans machen lässt
Die "Monkey Island"-Serie verzaubert ihre Fans seit 34 Jahren. Und manchmal verzaubern diese Fans mit Spielen wie "The Booze of Monkey Island" einfach zurĂĽck!
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(Bild: "The Booze of Monkey Island")
Es gibt ein paar universelle Weisheiten im Leben: Hunde sind die besten Freunde der Menschen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Und es wird niemals ein besseres Point-and-Click-Adventure als "The Secret of Monkey Island" geben. Okay, Sierra-Fans mögen da lauthals widersprechen, aber die hatten ja eh noch nie besonders viel zu lachen.
Aber nun, sei’s drum. Dass die mit dem im Jahr 1990 veröffentlichten ersten Spiel von Lucasfilm-Games-Veteran Ron Gilbert erschaffene Serie absoluten Kult-Charakter hat, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten wollen. Im Laufe der nachfolgenden Jahrzehnte durchquerte die Reihe mehr Höhen und Tiefen als ein Segelboot inmitten eines Taifuns, und kehrte erst im September 2022 mit dem inhaltlich ganz exzellenten, aber grafisch durchaus streitbaren "Return to Monkey Island" wieder zurück, abermals mit Ron Gilbert am Steuer.
Ob es jemals weitergehen wird? Man weiĂź es nicht. Aber wer braucht schon offizielle FortfĂĽhrungen der Affensaga, wenn Fans in der Lage sind, kleine Meisterwerke wie "The Booze of Monkey Island" abzuliefern?
Der Affen-Snack
Entwickelt wurde "The Booze of Monkey Island" von einem fünfköpfigen italienischen Team namens "Bean Adventure Agency" aus dem norditalienischen Ort Lucca, dessen Mitglieder laut eigener Aussage schon seit 2018 in ihrer Freizeit daran arbeiten. Aktuell sitzt man da am ersten eigenen Point-and-Click-Abenteuer "The Adventures of Tango Rio", das gerade auf Kickstarter kurz davor ist, seine Finanzierung zu sichern.
Den Amateurcharakter merkt man dem Spiel natürlich an. So stehen zum Beispiel zwar vier Sprachen zur Auswahl (Deutsch, Englisch, Italienisch und Spanisch), aber es gibt keine Sprachausgabe. Und die ebenfalls von einem ehrenamtlich arbeitenden Fan übersetzten deutschen Texte sind zwar handwerklich grundsätzlich in Ordnung, aber dennoch voller holpriger Formulierungen, gelegentlicher Tippfehler und ständigem Wechsel zwischen "Sie" und "Du" innerhalb von Gesprächen – also den typischen Kinderkrankheiten, die mit begrenzter Teamgröße und dem damit einhergehenden Mangel an Feinschliff daherkommen.
"The Booze of Monkey Island" (10 Bilder)
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The Booze of Monkey Island
)"The Booze of Monkey Island" ist allerdings auch kein vollständiges Spiel, sondern eher als Adventure-Snack zu verstehen. Die Entwickler selbst nennen es auf der Webseite "A mini pirate adventure". Aber ganz ehrlich: "Liebeserklärung an das Point-n-Click-Genre im Allgemeinen und die Monkey-Island-Serie im Speziellen" trifft’s eher.
Wo ist LeChuck?
Als inoffizielles Werk aus den Händen enthusiastischer Fans ist das Abenteuer natürlich kein Teil des Monkey-Island-Kanons. Das Ganze spielt zu einem undefinierten Zeitpunkt auf dem aus "Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge" bekannten Booty Island, an dem Held Guybrush Threepwood unfreiwillig Anker wirft. Seine Hauptaufgabe da ist es nun, in der Handvoll Bildschirme des Spiels drei widerspenstige Kunden in eine Grog-Bar zu locken, damit deren Besitzer (der aus dem vierten Teil "Flucht von Monkey Island" bekannte Ignatius Käse) Guybrushs Schiff repariert.
Ignatius ist nicht die einzige aus dem Monkeyversum bekannte Figur, mit der man es zu tun bekommt: Captain Kate Capsize (mit einem Haargummi bis zur Unkenntlichkeit getarnt) und Kartograph/Nachwuchspirat Wally B. Feed spielen ebenfalls wichtige Rollen. Allerdings merkt man an dieser Stelle deutlich, dass "The Booze of Monkey Island" nur ein Adventure-Happen ist: Keine Elaine Marley, kein zweitgrößter Affenkopf der Welt, keine vegetarischen Kannibalen weit und breit – und vor allem kein Geisterkapitän LeChuck!
Dafür gibt’s aber jede Menge Humor, der den typisch-abgefahrenen Stil der Serie erstaunlich authentisch einfängt. Er ist nicht direkt haha-schenkelgefährdend, und es fehlt definitiv der leicht surreale Ron-Gilbert-Touch, aber für ein nicht-offizielles Monkey Island ist das hier schon mehr als nur okay, zum Teil wirklich witzig und mit sehr vielen Insiderjokes gespickt. Wer etwa noch etwas mit Namen wie "Alain Trottier" anfangen kann, dürfte hier während der zwei, drei Stunden Spielzeit sehr viel grinsen.
Alles gut im Griff
Inhaltlich bleibt "The Booze of Monkey Island" den Serientraditionen treu: Die Rätsel sind nicht sonderlich schwer, erfordern hier und da aber schon das Denken um die eine oder andere Ecke. Das über einen Rechtsklick mit der Maus erreichbare Inventar ist sehr übersichtlich gehalten, was die Benutzung von Gegenständen darin für die Lösung einiger Rätsel sehr komfortabel macht. Dazu kommen noch etliche Multiple-Choice-Dialoge, von denen einige für den Spielfortschritt entscheidend sind, die allermeisten dagegen, Tradition ist Tradition, einfach nur dem Gelaber beziehungsweise Geblödel dienen.
Die Steuerung ist ebenfalls sehr simpel gehalten: Sie orientiert sich nicht an der klassischen "Zwölf Verben plus Inventar"-Ansicht der ersten beiden Spiele der Serie, sondern geht mehr in die Richtung des dritten Teils "The Curse of Monkey Island": Ein einfacher Klick in die Landschaft schickt Guybrush forschen Schrittes dahin. Haltet ihr die linke Maustaste auf einem interessanten Objekt gedrückt, öffnet sich ein Kontextmenü, von dem aus ihr mit dem Gegenstand oder der Figur interagieren, sie benutzen oder mit ihr sprechen dürft.
Als Verbeugung vor dem Komfortgedanken moderner Point-and-Click-Adventures steht es einem auch frei, jederzeit die Leertaste zu drücken, woraufhin sämtliche gerade im Bild befindlichen Interaktionspunkte ("Hotspots") deutlich markiert werden. Auch das trägt seinen Teil zum eher niedrig gehaltenen Schwierigkeitsgrad bei.
Hach, die Karibik...
Wenn die "Monkey Island"-Reihe seit der Jahrtausendwende für eines berüchtigt war, dann für ihre Grafikexperimente: Egal ob "Flucht von Monkey Island" (2000), "Tales of Monkey Island" (2009 bis 2010), die beiden "Special Editions" der ersten beiden Spiele (2009 und 2010) oder "Return to Monkey Island" (2022) – sie alle präsentierten sich in sehr unterschiedlichen Looks, mal 2D, mal 3D, die die Fangemeinde zuverlässig zu spalten verstanden.
Dieses Schicksal dürfte "The Booze of Monkey Island" erspart bleiben, denn das orientiert sich überdeutlich am universell verehrten dritten Teil und präsentiert einen Guybrush zum Verlieben! Was für toll designte Figuren! Was für liebevolle Animationen! Was für ideenreiche Hintergründe! Klar, man merkt auch an dieser Stelle, dass hier enthusiastische Amateure am Werk waren, und keine Vollblut-Profis. Das sollte aber nicht die geringste Rolle spielen: Das Spiel sieht genauso toll aus, wie es klingt!
Der Soundtrack von Andrea Boscarino orientiert sich natürlich an den Originalkompositionen von Michael Land, Peter McConnell und Clint Bajakian, und verzaubert direkt von der ersten "Deep in the Caribbean"-Einblendung an. Er ist, genau wie das Spiel, in seiner Komplettheit kostenlos erhältlich.
Auf nach Booty Island!
Die Frage ist natürlich: Wie lange wird das wohl noch so bleiben? Die "Monkey Island"-Rechte liegen ja schon seit einer Weile bei Disney, und deren Anwälte sind bekanntermaßen bissiger als ein Rudel ausgehungerter Piranha-Pudel. Es kann also wirklich nicht schaden, schnell den Download anzuschmeißen, bevor dieses Projekt möglicherweise genauso spurlos verschwinden muss wie so viele andere Fan-Remakes vor ihm.
Die knapp 650 Megabyte für die PC-Versionen sind in jedem Fall eine exzellente Investition: Als reines Adventure ist "The Booze of Monkey Island" ehrlicherweise nur Durchschnitt, die Puzzles gewinnen keine Innovationspreise. Das Entwicklerteam hat aber auch nicht versucht, das Point-and-Click-Rad neu zu erfinden, sondern einfach nur einen wunderschönen Liebesbrief an eine legendäre Spielereihe verfasst, in einer applauswürdigen Konsequenz, den sich wirklich kein Fan entgehen lassen darf.
Ein Tipp zum Abschluss: Wie bei den meisten Teilen der Serie lohnt es sich auch hier, bis ganz zum Ende der Credits dran zu bleiben...
(mho)