Buchbranche im digitalen Umbruch

Auf einem Kongress des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels diskutiert die Branche über Geschäftsmodelle für die Märkte der Zukunft. Dabei wurde auch die Forderung nach besseren politischen Rahmenbedingungen laut.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 93 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Auf den Buchtagen 2010 des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sind in Berlin Vertreter der Branche zusammengekommen, um über "Verbrauchertrends, Geschäftsmodelle und Marketingstrategien für die Märkte von morgen" zu diskutieren. Dort forderte Börsenvereins-Vorsteher Gottfried Honnefelder die Politik auf, bessere rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Man stehe an der Schwelle zu einer "neuen Buchwelt" und "unbekanntem Gebiet". Dort gebe es "neue Mitbewerber, die wenig mit uns gemeinsam zu haben scheinen".

Birgit Grundmann, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, erläuterte, die Regierung habe sich angesichts der Bedrohung durch Internetpiraterie auch für die Buchbranche dafür ausgesprochen, die Urheberrechte im Internet besser durchzusetzen. "Patentrezepte" gebe es aber nicht. Grundmann forderte die Vertreter verschiedener Branchen dazu auf, zusammen eine Gesamtstrategie entwickeln. Die Buchverleger stünden aber generell nicht schlecht da, der Buchmarkt sei seit 2004 kontinuierlich gewachsen. Allein in diesem Jahr hätten 2,9 Millionen Deutsche angekündigt, sich ein E-Book kaufen zu wollen. Einzelne Verlage machten bereits gut 30 Prozent ihres Umsatzes im Digitalgeschäft.

"Unsere Branche braucht eine neue Denkrichtung", meinte Sven Fund, Geschäftsführer des Wissenschaftsverlags Walter de Gruyter. Die Wünsche der Kunden seien oft aus den Augen geraten. Mit umfassenden Datenbanken über verfügbare Inhalte sei ein Nachfragemarkt entstanden, der ungeahnte Interessen der Leser offenlege. Nun müssten die Fehden etwa über "Open Access" oder die Preisbindung überwunden und differenzierte Modelle eingeführt werden. Produkte sollten per "Massenindividualisierung" auf den Kunden zugeschnitten werden. Die "Kriminalisierung weiter Bevölkerungsschichten" diene dagegen keinem, meinte Fund, da man das "Mediennutzungsverhalten" nicht aufhalten könne.

Dorothee Ritz, bei Microsoft Deutschland für den Verbrauchermarkt zuständig, riet der Verlagsbranche, sich nicht von einem Anbieter Inhalte und Preise für den digitalen Markt diktieren zu lassen. Die Betreiber von Plattformen für den Content-Vertrieb über das Internet hätten einen "unglaublichen Hunger nach Inhalten". Der Verkauf werde aber nicht mehr von spezieller Hardware getrieben, sondern "über Inhalte Eco-Systeme wie Apps". Google und Apple seien Wettbewerber im Digitalmarkt, Microsoft selbst stehe hier "ganz hinten", sagte Ritz. Doch auch wenn derzeit "einige Anbieter übermächtig erscheinen", entstünden mit der Zeit mehr Plattformen. Je mehr Wettbewerber, zu denen Ritz auch Facebook zählte, in den Markt drängten, desto "standardisierter" würden die Vertriebswege und Geräte.

Ritz riet den Branchenvertretern, "etwas Einzigartiges zu schaffen". Es reiche nicht aus, das Gedruckte 1:1 digital zu verbreiten oder im Netz bereits frei verfügbare Inhalte in eine Mobilapplikation zu packen. Bücher müssten "erlebbar" und die Nutzer stärker in den Entstehungsprozess einbezogen werden. Die Managerin betonte, dass Microsoft sehr daran interessiert sei, Urheberrechte und Werte zu wahren. Beispielsweise würden immer Verträge mit Rechteinhabern abgeschlossen, wenn deren Inhalte in die Treffer- und Antwortlisten der Suchmaschine Bing eingebunden würden. Auch müssten die Nutzer mehr über Rechte an immateriellen Gütern aufgeklärt werden. (anw)