T-Com will IPv6 in ihrem Netz testen

Die Festnetzsparte der Telekom will das Henne-Ei-Problem -- keine Applikationen ohne Netze und umgekehrt -- gerne durchbrechen. Auf dem IPv6-Summit in Bonn gab zudem die Bundeswehr ein klares Bekenntnis zum neuen Internet-Protokoll ab.

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Von
  • Monika Ermert

T-Com, die Festnetzsparte der Telekom, will noch in diesem Jahr einen ersten IPv6-Test in ihrem Netz fahren. Es sei ein interner und für die Kunden nicht transparenter Test des neuen Internet-Protokolls, der lediglich der "Vorbereitung" des Unternehmens auf die Einführung des neuen Internetprotokolls dient. Das sagte Wolfgang Schmitz, Vizepräsident für Technik-Einführung bei der T-Com, heute beim IPv6-Summit in Bonn. "Wir machen v6 nicht nur, um ein weiteres, schöneres, schnelleres Protokoll zu haben. Die Frage ist zuerst, welchen Nutzen der Kunde hat." Dementsprechende Anwendungen sind aber nach Ansicht von Schmitz derzeit noch nicht in Sicht.

Zwar will man das Henne-Ei-Problem -- keine Applikationen ohne Netze und umgekehrt -- gerne durchbrechen, die T-Com könnte als größter deutscher Carrier der v6-Einführung den entscheidenden Anstoß geben. Angesichts der Marktlage müsse sich sein Unternehmen aber eine solche Investition gut überlegen. "Ein alternatives Argument wäre", so Schmitz, "dass es auf der Produktionsseite Vorteile für das Unternehmen bringt." Einen unmittelbaren Druck durch die Knappheit von IPv4-Adressen verspürt man bei der T-Com nicht. Die Prognosen, wann es wirklich soweit sei, so Schmitz, seien reichlich widersprüchlich.

Ein großer potenzieller Kunde gab in Bonn ein entschiedenes Bekenntnis für die neuen Adressen ab. Brigadegeneral Reimar Scherz von Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr sagte: "Die Nutzung von IPv6 ist als Standard für die Bundeswehr festgelegt und bei allen zukünftigen Projekten zwingend zu berücksichtigen." Die Neuausrichtung der Bundeswehr, die bei Auslandseinsätzen innerhalb wechselnder Allianzen kommunizieren müsse, habe die Entscheidung für das mächtigere Protokoll notwendig gemacht. Ziel sei es, so Scherz, die verschiedenen Truppenteile, jeden einzelnen Sensor und jeden "Effektor" -- darunter fassen die Militärs Waffensysteme oder Soldaten -- in einem interoperablen Kommunikationsverbund zu vernetzen.

Mobilität vor Ort, auch in Regionen ohne oder mit zerstörter Infrastruktur, Flexibilität, ein System in kürzester Zeit anzupassen, Robustheit und eine hohes Maß an Sicherheit seien die entscheidenden Anforderungen, so Scherz. IPv6 kann in der Hinsicht durch verbesserte Möglichkeiten zur Autokonfiguration und zur Ende-zu-Ende-Kommunikation punkten. Auch bei der NATO ist IPv6 daher ein großes Thema, nachdem sich als erstes das US-Verteidigungsministerium dafür entschieden hat. Bei den Deutschen, die kurz nach dem US-Militär auf den Wagen aufgesprungen sind, arbeitet man nun an einer neuen v6-fähigen Funkgerätegeneration. Eines der ersten abgeschlossenen Pilotprojekte, so sagte Wolfgang Fritsche von der IABG, dem Beratungspartner der Bundeswehr, war daneben eine Übung auf der Basis des IETF-Konzepts MANET Mobile Adhoc Network. Dabei werden Geräte, Fahrzeuge und Soldaten zu "selbstorganisierenden Knoten." Da die Bundeswehr derzeit auch ihre IT-Infrastruktur in Deutschland in externe Hände geben will, kann für potenzielle Bieter wie die Telekom IPv6 das Henne-Ei-Problem doch noch schnell gelöst werden.

"Brauchen wir wirklich erst einen Business Case? Wir hatten nie einen für IPv4", sagte demgegenüber Axel Clauberg, EMEA-Manager von Cisco Systems beim Panel der Hersteller. Clauberg lieferte aber auch eigene Berechnungen für die Unausweichlichkeit der Umstellung. Bei einer 20-prozentigen Penetration des Netzes weltweit gehen schon dann die IP-Nummern aus, wenn jedem einzelnen Nutzer nur eine einzige IP-Adresse zugestanden werde. Clauberg geht allerdings wie viele andere Beobachter davon aus, dass diese Zahl höher liegen wird. In Japan, so berichtete Michael Weber von Allied Telesyn, werden bereits Szenarien für den Einsatz von Biosensoren entwickelt, die kritische Werte von Patienten im Ernstfall an Krankenhäuser und Rettungstellen weitermelden. v6-fähige Netze und Geräte gehören in Japan schon fast zum Alltag. Für 2010 ist eine erste elektronische Wahl geplant.

Angesichts der Entwicklung in Japan warnte Clauberg daher auch davor, dass westliche Welt und asiatischer Raum in unterschiedlichen Netzen kommunizieren werden. "In China werden jetzt reine v6-Netze aufgebaut, weil es gar nicht anders geht." Westliche Carrier forderte Clauberg daher auf, nachzuziehen. Das Auseinanderfallen der Netze könne man sich schließlich nicht erlauben.

Für Grundlagen, Spezifikationen und weitere Berichte zu IPv6 siehe:

(Monika Ermert) / (anw)