Fällt der EU-Einfuhrzoll auf vermeintliche Unterhaltungselektronik?

Derzeit erhebt die EU für bestimmte Elektronikprodukte wie Monitore, Multifunktionsdrucker oder Settop-Boxen Einfuhrzoll. Dies widerspricht nach Ansicht einiger Länder dem ITA-Freihandelsabkommen. Die USA, Japan und Taiwan haben deshalb die WTO angerufen – offenbar mit Erfolg.

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Die Welthandelsorganisation WTO folgt im Schlichtungsverfahren über Einfuhrzölle auf Elektronikgüter in die EU offenbar dem Antrag der USA, Japan und Taiwan. Das berichten asiatische Medien. Nach Ansicht der drei Länder verletzen einige EU-Zollbestimmungen auf Hightech-Güter das im Jahr 1996 beschlossene ITA-Abkommen (Information Technology Agreement). Laut diesem erheben die 72 WTO-Mitgliedsstaaten auf Produkte der Informationstechnik (Computer, Computerbauteile und Software) keinen Einfuhrzoll.

Die EU verlangt allerdings seit geraumer Zeit bei der Einfuhr bestimmter Geräte wie Flachdisplays, Multifunktionsdrucker oder Settop-Boxen Steuern in Höhe von 3 bis 14 Prozent. Begründung: Die Produkte seien aufgrund einiger Eigenschaften keine reinen IT-Geräte, sondern Unterhaltungselektronik.

So klassifizierte sie bereits vor sechs Jahren Monitore mit Digitaleingang als Videogeräte und belegte diese an den großen Einfuhrhäfen Rotterdam und Hamburg mit einem Einfuhrzoll von 14 Prozent. Die Zollbestimmung wurde in Deutschland zwar zwischenzeitlich vom Bundesfinanzministerium kassiert, ab 2006 aber erneut auf breitformatige Flachbildschirme ab 20 Zoll Diagonale angewandt. Auch diese Regelung wurde im Laufe der Zeit modifiziert, derzeit sind digitale Flachbildschirme ab 22 Zoll zollpflichtig und alle Displays mit 16:9-Format – Letzteres trifft inzwischen auf die Mehrheit der verkauften Monitore zu. Multifunktionsdrucker werden mit 6 Prozent Zoll belegt, wenn sie Fotos kopieren können – und damit nach Einschätzung der EU keine reinen IT-Geräte mehr sind. Ähnliches gilt für Settop-Boxen mit Internetanschluss und Festplatte.

Solche Zollklassifizierungen widersprechen nach Ansicht vieler außereuropäischer Länder dem ITA-Abkommen, weshalb USA, Japan und Taiwan vor zwei Jahren die Schlichtungsstelle der WTO in Genf anriefen. Taiwan hat laut DisplaySearch auch ein besonderes Interesse an der Klärung der Zollvereinbarung, weil die EU derzeit mit Korea über ein Freihandelabkommen verhandelt – taiwanische Display-Unternehmen fürchteten dadurch wirtschaftliche Nachteile gegenüber der koreanischen Konkurrenz.

Der für September erwartete WTO-Schlichterspruch dürfte sich auf die Preise von Flachbildschirmen allerdings kaum auswirken, denn die meisten großen Unternehmen haben sich schon vor Jahren auf die Zolleigenarten der EU eingestellt: Sie lassen ihre Geräte in Osteuropa zusammenbauen und importieren die notwendige Elektronik in Einzelteilen. Dadurch wird der Zoll beispielsweise lediglich auf die Videoelektronik fällig, nicht aber auf das viel teurere Panel. Durch die Vor-Ort-Assemblierung konnten neben Monitoren auch die Flachbildfernseher deutlich günstiger in Europa verkauft werden, denn schließlich gilt auch bei diesen die Einzelteile-Versteuerung – das große Panel an sich bleibt vom Zoll befreit.

Digitalkameras werden dagegen fast ausschließlich komplett und nicht als Bausatz in die EU importiert. Die EU stuft auch sie als Unterhaltungselektronik ein, wenn sie Videosequenzen aufzeichnen können, die länger als 30 Minuten dauern. Smartphones lassen sich aufgrund ihrer Internetfähigkeit und eingebauter Tuner ebenfalls sehr einfach als Unterhaltungselektronik klassifizieren. Ein WTO-Schiedsspruch dürfte auch bei diesen Geräten einen Riegel vor den Einfuhrzoll schieben. (uk)