Provider: "Löschen statt Sperren" funktioniert

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco hat einen Zeitungsbericht zurückgewiesen, wonach die Bemühungen der Netzanbieter zum Löschen kinderpornographischer Seiten häufig im Sande verliefen.

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Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco hat wegen "Fehlinterpretationen" einen Zeitungsbericht zurückgewiesen, wonach die Bemühungen der Netzanbieter zum Löschen kinderpornographischer Seiten häufig im Sande verliefen und die Branche einschlägige Erfahrungen vertuscht habe. "Der Ansatz 'Löschen statt Sperren' funktioniert", erklärte eco-Geschäftsführer Harald Summa am Montag gegenüber heise online. Dieser Weg müsse "entschieden und mit größtmöglichem Engagement" auch auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden fortgeführt werden.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAZS) hatte dem eco und seiner nationalen Beschwerdestelle beziehungsweise dem internationalen Meldestellenverbund INHOPE (International Association of Internet Hotlines) vorgeworfen, schnelle Löscherfolge "meist nur vorgegaukelt" zu haben. So seien vor allem anderslautende Ergebnisse eines Experiments aus dem vorigen Sommer der Öffentlichkeit vorenthalten worden. "Wir haben im vergangenen Sommer 144 Fälle kinderpornographischer Inhalte geprüft und die strafrechtlich relevanten Beschwerden entweder direkt an die zuständigen Provider herangetragen oder eine INHOPE-Partner-Hotline informiert", klärt Summa nun auf. Dabei sei festzustellen gewesen, "dass die Hostprovider schnell reagiert und die gemeldeten Seiten vom Netz genommen haben". Entsprechende Reaktionszeiten habe man naturgemäß nur in den Fällen erfassen können, "in denen wir selbst den Serviceanbieter benachrichtigt haben".

Weiteres Resultat des Tests war laut Summa, "dass nicht alle INHOPE-Mitglieder nach ein und demselben Muster arbeiteten". Deshalb sei es in manchen Fällen zu Verzögerungen bei den Zeiten bis zur Herunternahme gemeldeter Seiten gekommen. Allein von den 110 US-amerikanischen Seiten sei mehr als die Hälfte noch Monate später abrufbar gewesen, führte die FAZS aus. Auch in Russland, Holland, Japan und Tschechien hätten Löschungen oft mehrere Wochen auf sich warten lassen. Beim eco selbst sei von "massiven Problemen" rund um INHOPE die Rede gewesen. Nur wenige Hotlines hätten die Arbeit getan, von der man gedacht habe, dass sie schon längst getan werde.

Der deutsche Verband hat daraufhin nach Angaben Summas Druck gemacht, um das Kernproblem der nicht erfolgenden Weiterleitung von Fundstellen an die konkreten Anbieter zu lösen. Man habe bei dem Hotline-Verbund und der ihn fördernden EU-Kommission darauf hingearbeitet, dass die Information der Provider über einschlägige Funde durch die jeweilige Hotline gemäß dem "Notice & Takedown"-Prinzip Pflicht wird, sofern das im jeweiligen Land rechtlich festzuschreiben sei. Eine entsprechende Vorschrift sähen die nächsten EU-Förderverträge für die Meldestellen jetzt vor. Darüber hinaus seien in Zusammenarbeit mit dem US-Justizministerium Kommunikationshürden mit amerikanischen Providern und der CyberTipline abgebaut worden. Insgesamt sei nichts verheimlicht worden. Vielmehr habe man aufgrund eigener Erkenntnisse förderliche Maßnahmen in die Wege geleitet.

Hintergrund des Probelaufs war die Debatte um das mittlerweile teils ausgesetzte Zugangserschwerungsgesetz und die damit aufgekommene Frage, warum die inkriminierten Inhalte ­ anders als etwa Phishing-Seiten ­ im Ursprungsland scheinbar kaum zu löschen gewesen sein sollten. Dies sei für den eco "schlicht nicht nachvollziehbar" gewesen, betont Summa, zumal stattdessen von vielen Politikern eine Sperrung als einziges Mittel angesehen worden sei. Dabei seien Blockaden "nicht effektiv oder nachhaltig". Mittlerweile habe sich die Zusammenarbeit vor allem mit den Partnern in den USA und in Russland "stark verbessert". In der vergangenen Woche seien etwa sechs Fälle kinderpornographischen Materials bearbeitet worden, die in den Vereinigten Staaten vorgehalten gewesen seien. "Vier davon waren binnen zwei Werktagen offline, zwei binnen einem", freut sich Summa. Sieben weitere Beschwerden über Kinderpornos auf russischen Servern seien alle nach einem Werktag bearbeitet und die Missbrauchsbilder gelöscht worden.

Insgesamt sind bei der deutschen Meldestelle nach eco-Angaben im ersten Halbjahr 38.679 Beschwerden eingegangen. Davon hätten sich 238 auf reale oder virtuelle kinderpornographische Darstellungen bezogen. 207 hätten sich als begründet herausgestellt. Von den 18 Fundstellen, die im Ausland gehostete Inhalte betrafen, waren 15 innerhalb einer Woche offline, zwei binnen 14 Tagen und eine "danach", wobei die Herunternahme in diesem Fall erst nach einer gewissen Zeitspanne kontrolliert worden sei. Dieser Erfolgstrend setze sich bisher auch im zweiten Halbjahr 2010 fort. Insofern könne man auch Tests der Kinderschutzorganisation "Carechild" und des "AK Zensur" nachvollziehen, wonach sich kinderpornographische Webseiten im Ausland relativ einfach aus dem Netz löschen ließen.

Die seit Mai 2009 fortgeschriebene Statistik der Internet-Beschwerdestelle bezieht sich laut Summa "auf alle ins Ausland gemeldeten Inhalte". Die einzelnen Partner-Hotlines hielten ihre erzielten Erfolge jeweils für sich fest. Zur Verbesserung der Statistik, die das Bundeskriminalamt (BKA) über eigene Löscherfolge führt, hält der eco eine Verkürzung des Zeitraums, nach dem die Herunternahme geprüft werde, von sieben Tagen auf einen Werktag für wünschenswert. Nur so könnten genaue Aussagen über den Effekt der Bemühungen gemacht werden, für deren Evaluierung noch mindestens bis Februar 2011 Zeit bleiben müsste. Nach den BKA-Zahlen waren im Juli 63 Prozent der entdeckten ausländischen Websites nach einer Woche noch verfügbar, berichtet zumindest die FAZS. Die absolute Menge der ins Ausland gemeldeten Seiten stieg von 182 im Vormonat auf 262 an. Das BKA leitet Hinweise auf Kinderpornos im Gegensatz zur neuen Praxis der Provider in der Regel nur an Polizeistellen in anderen Ländern weiter, nicht aber an die Anbieter direkt.

Bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird der Bericht erneut als Beleg für die Notwendigkeit von Websperren gewertet. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Parlament, Wolfgang Bosbach, sieht "unsere Befürchtung" bestätigt. Natürlich sei das Löschen die bessere Lösung, meinte der CDU-Politiker. "Aber wenn nicht gelöscht werden kann, muss Sperren möglich sein." Auch für den innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), ist "der einseitige Verlass auf Löschversuche und die kategorische Ablehnung von Internetsperren" kaum mehr nachvollziehbar. Ein Sprecher von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stärkte dagegen den Selbstkontrollbemühungen der Wirtschaft den Rücken: "Die Erfolge von INHOPE sind unbestritten, vor allem im Vergleich zu staatlichen Stellen." Andere Zahlen als die des BKA lägen dem Ministerium bislang nicht vor. (pmz)