Mein erstes plastisches Video

Ein einwöchiger Test des ersten 3D-Consumer-Camcorders der Welt zeigt Potenzial und Grenzen von 3D-Filmen im Hausgebrauch auf.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling

Ein einwöchiger Test des ersten 3D-Consumer-Camcorders der Welt zeigt Potenzial und Grenzen von 3D-Filmen im Hausgebrauch auf.

Ein bisschen aufgeregt war ich schon, als ich Panasonics HDC-SDT750, den ersten 3D-Camcorder für Consumer, aus der Pappverpackung schälte. Denn nun hatte ich es in der Hand, mir meine, seit der Ceatec 2008 vertretene These zu bestätigen – oder eben zu widerlegen, dass uns ein 3D-Zeitalter bevorsteht. Wie groß war meine Erleichterung, als ich meinen vorherigen 3D-Blog "Hype oder Ära" dann tatsächlich gerechtfertigt fand: 3D kommt, wenn auch langsam. Noch ist die neue Technik ein bisschen im Experimentierstadium.

Da ist zum einen das 3D-System: Der 375 Gramm leichte Camcorder ist im 2D-Modus rundum sehr gut mit Funktionen bestückt. Im 3D-Modus hingegen verliert er viele, 32 listet die Bedienungsanleitung auf. Bei der Gesichtserkennung kratzt mich das nun nicht. Nur dass der Zoom nicht mehr funktioniert und man stattdessen nur mit einer Festbrennweite im schwachen Weitwinkel filmen kann, schränkt die kreative Freiheit doch schon ein. Der Grund sind die Kosten, wurde mir erklärt. Denn ein 3D-Vorsatz-Zoom-Objektiv wie es auf Panasonics zehn mal so teures Profimodell passt, ist sehr viel aufwendiger konstruiert und damit teurer als es sich für Consumer-3D-Camcorder schickt.

Und damit kommen wir zum für mich bedientechnisch größten Problem: Das Vorsatzobjektiv, das die Welt durch zwei Minilinsen 3D-tauglich zwei Bilder parallel durchs Objektiv auf die Sensoren der Kamera schickt, wird nicht ritsch-ratsch mit einem Bajonett-Verschluss auf der Kamera befestigt, sondern drauf geschraubt. Der löbliche Hintersinn der Mühsal ist, dass man auch noch andere Filter und Vorsätze mit dem Camcorder verwenden können soll. Nur ist ein rascher Wechsel zwischen 2D- und 3D ist nicht möglich.

Kommen wir zu den Bildern. Größtenteils fand ich sie angenehm 3D-artig, sprich räumlich. Allerdings habe ich auch schnell gemerkt, dass Avatar-Regisseur James Cameron recht hatte, als er sagte, dass 3D-Filme anders geschossen werden wollen als 2D-Filme. Plastische Bilder wollen wie das richtige Leben ununterbrochen fließen, denn der Betrachter befindet sich gefühlt in der Szene. Die Zutaten eines heutigen Actionfilms wie schnelle Cuts und wacklige Kamera verbieten sich hingegen, will man den Zuschauer nicht aus dem Bild werfen. Denn der rapide Wechsel der Szenen und der räumlichen Tiefe überfordert in 3D das menschliche Gehirn – nun ja, wenigstens meines. Ich kann schon verstehen, dass Menschen bei schlecht gemachten 3D-Bildern sehkrank werden.

Richtig zum Schielen und bis fast hin zum Schwindel haben mich meine Versuche von Nahaufnahmen gebracht. Besonders hart war ein Close-up meiner Notebook-Tastatur. Der Grund wurde mir auch schnell offenbar: Bei Nahaufnahmen von Objekten mit strukturiertem Hintergrund fehlen jedem Auge an einem Bildrand große Mengen an Informationen, die dem Gehirn daher für den Zusammenbau eines räumlichen Bildes fehlen. Die Peripherie fehlt zwar auch beim Sehen im wirklichen Leben, nur ist es eben die Peripherie, die wir eh nicht scharf wahrnehmen. Der Fernsehbildschirm befindet sich hingegen in unserem Blickzentrum. Panasonic selbst rät auch von Nahaufnahmen ab. Die besten 3D-Effekte stellen sich nach Herstellerangaben zwischen rund 1,2 und 4 Meter ein. Doch auch in dieser Zone tauchte hin und wieder das Scherenschnitt-Phänomen auf. Dabei wirken Figuren flach, die räumlich tief gestaffelt im Bild stehen. Das irritiert ein bisschen, tut allerdings nicht weh.

Mein Fazit: Die zusätzliche räumliche Information kann – richtig eingesetzt – die Wirkung der Bilder vertiefen. Ich habe mich zum Beispiel im Film Avatar zu meiner eigenen Überraschung wegen des 3D-Effekts nicht gelangweilt, obwohl ich die Geschichte flach fand. Allerdings dürften die ersten passenden Bildfänger für Heimanwender wohl vorerst Pioniere und nicht sofort die Massen anziehen. Dafür sprechen zum einen die erwähnten Beschränkungen, zum anderen die Kosten. Denn eine 3D-Kamera alleine reicht ja noch nicht. Man braucht auch noch 3D-fähige Bildschirme. Und die sind noch teurer als ihre zweidimensionalen Varianten. Aufzuhalten ist der Zug meines Erachtens allerdings nicht mehr. Denn mit dem Einzug 3D-fähiger Bildfänger stehen nun endlich alle Zutaten bereit, 3D nach mehr als hundert Jahren gescheiterter Versuche zu einer dauerhaften Existenz in unserem Video-Kontinuum zu verhelfen.

Wir haben endlich nicht nur die Technik, sondern auch eine große Masse an Herstellern sowie ein umfassendes Öko-System mit Diensten und professionell wie privat erstellten Inhalten zur Hand. 3D-Fernseher sind dabei nur der Anfang. Nintendo hat bereits eine 3D-fähige portablen Spielekonsole, die 3DS angekündigt. Sharp, der Hersteller des kleinen 3D-Bildschirms, den Nintendo verwendet, plant 3D-Handys.

3D-Computerbildschirme gibt es ebenfalls schon wie auch eine 3D-Foto- und Filmkamera von Fujifilm. Dazu werden sich künftig noch Info-Displays gesellen sowie 3D-Bedienschnittstellen. Wem diese Weiterentwicklung beklagenswert erscheint, der kann sich vielleicht damit trösten, dass die Pseudo-Spannung moderner Filme wie Split-Screens und rasante Schnitte in 3D nicht mehr funktionieren. Vielleicht drängt ja mit 3D das Erzählkino das MTV-Häppchenkino wieder zurück. (bsc)