Intelligente Stromnetze: "Wer sich nicht kümmert, zahlt mehr"

Stecker in die Steckdose und Gerät einschalten war einmal: Die kommenden intelligenten Stromnetze (Smart Grids) sollen durch bessere Steuerungsmechanismen eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien ermöglichen und den Stromverbrauch senken helfen. Sie bergen für die Verbraucher aber auch einige Fallstricke.

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Von
  • Daniel Schnettler
  • dpa

Stecker in die Steckdose und Gerät einschalten war einmal: Die kommenden intelligenten Stromnetze (Smart Grids) sollen den Verbrauch senken helfen, bergen für die Verbraucher aber auch einige Fallstricke. "Die Versorger müssen enorme Summen in den Aufbau der Smart Grids stecken. Diese Kosten geben sie natürlich an die Kunden weiter, der Strom wird teurer", prophezeite Branchenexperte Klaus Heimann vom Softwarekonzern SAP am Rande der Weltenergiekonferenz des World Energy Council in Montreal. "Der Kunde kann durch die neuen Systeme aber gleichzeitig seinen Verbrauch reduzieren. Am Ende ist es ein Nullsummenspiel."

Heimann warnte allerdings im Gespräch mit dpa: "Wer sich nicht kümmert, zahlt mehr." SAP ist einer der Hersteller der Software, die in Smart Grids und über Smart Metern (intelligente Stromzähler) auch den Endkunden das Ablesen des individuellen und in Zukunft auch gerätebezogenen Verbrauchs ermöglicht. "Es wird langfristig dazu kommen, dass sich die Preise nach Angebot und Nachfrage richten, das heißt, dass sie im Halbstunden- oder Viertelstundentakt variieren. Wenn alle Klimaanlagen laufen, wird es schlicht teurer." Der Kunde müsse sich dann überlegen, ob er in dieser Zeit unbedingt seine Waschmaschine anschmeißen muss.

Die Energiekonzerne treiben den Ausbau der intelligenten Stromnetze unter anderem deswegen voran, um Solaranlagen und Windräder besser in ihr Netz einbinden zu können. Die Produktion von Strom aus alternativen Energieträgern ist nicht so einfach steuerbar wie in herkömmlichen Kraftwerken, sondern stark von nicht beeinflussbaren Umweltbedingungen abhängig: Nicht immer scheint die Sonne auf Solarkraftwerke, bläst der Wind in Windparks genau dann, wenn Lastspitzen im Netz auftreten. Das macht es schwierig, jederzeit ausreichend Strom bereitzustellen, andererseits produzieren Solarkraftwerke und Windräder möglicherweise gerade dann sehr viel Strom, wenn der Bedarf gar nicht entsprechend hoch ist. Noch lassen sich die Schwankungen durch die vorhandenen Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke ausgleichen, doch auf lange Sicht sollen die erneuerbaren Energien ein immer größeres Gewicht erhalten. Dann müssen bessere Steuerungsmechanismen, Umleitungsmöglichkeiten und Speicherkapazitäten bereitstehen.

Noch in diesem Jahrzehnt, so glaubt Heimann, werden intelligente Stromnetze eingeführt. "Wir werden aber noch nicht zu einem vollkommenen Smart Grid kommen. Das wird 30, 40, 50 Jahre dauern." In manchen Häusern sind aber bereits elektronische Zähler installiert, die eine Überwachung der Verbrauchsdaten sowohl durch die Stromlieferanten als auch durch die Kunden ermöglichen. Seit dem 1. Januar dieses Jahres müssen zudem solche Zähler in alle Neubauten und grundsanierten Wohnungen eingebaut werden.

"Tagesaktuelle Preise sind im Industriebereich längst üblich", sagt Heimann. Im Privatbereich wird es bis zur Einführung seiner Meinung nach aber noch dauern. "Ich kann solche Tarife natürlich nicht anbieten, solange die entsprechenden Automatismen nicht in den Haushalten sind." Eine zentrale Steuerungseinheit im Haus soll künftig etwa regeln, wann die Waschmaschine läuft oder welche Temperatur die Klimaanlage hat. "Mein automatisches Energiemanagement-System reagiert auf die schwankenden Preise: Ich schränke meinen Verbrauch ein, wenn der Strom teuer ist, und weite ihn aus, wenn er billig ist."

Siehe dazu auch:

  • Das Strom-Netz, IT in der Stromversorgung: Twitternde Stromzähler und abwartende Waschmaschinen, c't 2/10, S. 68

(jk)