Datenschützer verschärft Kritik an E-Pässen

Der Bundesdatenschutzbeauftragte sieht bei der vom Innenministerium geplanten Einführung biometrischer Pässe im November verfassungsrechtliche und sicherheitstechnische Probleme.

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Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hält die von Bundesinnenminister Otto Schily bereits für November geplante Einführung von Hightech-Pässen mit zunächst einem biometrischen Merkmal und Funkchips für "verfassungsrechtlich höchst problematisch". Dies erklärte der Experte am gestrigen Samstag in Berlin auf einer Diskussion zur Sicherheitspolitik nach dem 11. September im Camp Discordia des Chaos Computer Clubs (CCC) im Rahmen der Jugend-Politikfestivals Berlin05. Auch sicherheitstechnisch sei die neue Generation der Reisepässe alles andere als ausgereift, baute Schaar seine bereits wiederholt geäußerte Kritik an dem Vorhaben der Bundesregierung aus. Die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entworfenen Schutzmechanismen seien einerseits nicht ausreichend und würden andererseits gleichzeitig den vorgesehen RFID-Chip überflüssig machen.

Dass Schily die neuen Identitätsdokumente auf Basis einer umstrittenen EU-Verordnung ohne weitere Befassung des Parlaments mit der Regelung durchdrücken will, könnte laut Schaar ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht sein: "Der Bundestag muss selbst eine Entscheidung treffen", schließlich würden mit der biometrischen Aufrüstung der Pässe die Grundrechte der Bürger im Kern berührt. Angesichts der Berichte über die vom BSI vorgeschlagenen "Basic Access Control" zur Verhinderung eines unberechtigten Auslesens der Funkchips, die (zunächst) das digitale Gesichtsbild speichern, beklagte Schaar zudem, dass die benötigten Informationen zur Freigabe der geplanten Lesesperre "viele hätten". Erforderlich seien schließlich allein Name und Geburtsdatum des Inhabers, die Nummer des Dokuments sowie dessen Verfallsdatum.

Nicht einsichtig ist für Schaar zudem, wieso das biometrische Merkmal nicht etwa in einem "3D-Barcode" anstatt in (den bereits bestellten) RFID-Chips gespeichert wird. Wegen der BSI-Kontrolltechnik müsse der Pass nun nämlich doch wieder auf eine optische Leseplatte gelegt werden, sodass der angepriesene Hauptvorteil der kontaktlosen ID-Technik verloren gehe. Die EU-Verordnung schreibe dagegen nur vor, dass ein "automatisches Auslesen" möglich sein müsse. Dies brauche nicht zwangsweise auf RFID hinauszulaufen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte beklagte ferner, dass die internationalen Standards für die Pässe noch gar nicht spezifiziert seien. Es könne so nicht gewährleistet werden, dass die deutschen Hightech-Dokumente von anderen Staaten ausgelesen werden könnten.

Generell sieht der Kritiker mit dem E-Pass-Szenario Schilys den Anlass für eine allgemeine Wiederentdeckung des Datenschutzes in der Bevölkerung gekommen, ähnlich wie mit dem epochalen Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, das zu einer deutlichen Stärkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts führte. Er sei zwar strikt gegen das Schüren einer diffusen "Überwachungshysterie". Doch er befürchtet, dass die neue Technik in der Bevölkerung Ängste auslösen könne: Aus biometrischen Merkmalen wie dem Gesichtsbild seien nämlich viele "Informationen mit Überschusscharakter" herauszulesen, die über die reine Identifizierung des Passhalters weit hinaus gehen. Schaar nannte unter anderem mögliche Korrelationen zwischen "gentechnischen Dispositionen" oder bestimmten Empfindlichkeiten und Orientierungen. Der Datenschützer führte weiter aus, dass die biometrischen Merkmale beispielsweise auch zur Selektion einzelner Völkergruppen nutzbar wären.

Dass sich die Einschätzung des Themas Datenschutz beim politischen "Mainstream" ändert, machte Schaar auch an einer Äußerung der CSU-Spitze fest: So habe der Fraktionsvorsitzende der bayerischen Unionspartei, Joachim Herrmann, auf einer Fachveranstaltung vergangene Woche in München betont, dass die Freiheit nicht mehr länger gegen die Sicherheit ausgespielt und die Terrorismusabwehr nicht als "Freibrief zum Datensammeln" angesehen werden dürfe, und dem Bundesdatenschutzbeauftragten so regelrecht die Worte aus dem Mund genommen. Kritik an der E-Pass-Initiative übte in Berlin zudem CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn. Er sieht darin hauptsächlich eine "Maßnahme zur Wirtschaftsförderung" sowie einen Vorstoß zur "Rettung der Bilanzen der Bundesdruckerei" aus dem Innenministerium. (Stefan Krempl) / (ciw)