Linus Torvalds: Marktdominanz von Microsoft nicht von Dauer

Torvalds erscheint Microsoft insofern als interessante Firma, als sie ausnahmsweise auch mit Massenware richtig Geld verdiene und anfangs spezialisiert erscheinende Produkte über die Marktdominanz langfristig zu Massenware umwandeln könne.

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Von
  • Mattias Hermannstorfer

Das Sommerloch öffnet sich -- nicht nur für Auseinandersetzungen zwischen BSD- und Linux-Adepten: Die Silicon-Valley-Tageszeitung Mercury News räumt in einem Interview Linus Torvalds Platz für Kommentare zu proprietärer Software, Open Source und Microsoft ein.

Auf die Zukunft von Open-Source-Projekten angesichts der großen Fortschritte von Linux und Mozilla angesprochen, betonte Torvalds die langsame und evolutionäre Vorgehensweise der verschiedenen Entwicklergruppen. Dadurch werde die Codebasis im Laufe der Zeit verbessert und zum Gebrauchsgut. Der Prozess sei dadurch ziemlich unaufhaltsam und lasse kommerziellen Anbietern überdies genügend Spielraum, den Open-Source- mit proprietärem Code anzureichern. Er denke nicht, dass die proprietären Anbieter durch Open-Source-Projekte gefährdet seien, sondern sich schließlich auf einer höheren Stufe der Nahrungskette wiederfänden. Die Umstellung sei noch nicht einmal besonders schwierig, da schon der kommerzielle Service und Support für Open-Source-Code eine Einnahmequelle darstelle. Nach seiner Meinung könnten proprietäre Anbieter außerdem "spezielle Nischen" besetzen, die Natur von Open Source führe allerdings schon zu einer Abdeckung der "Grundnischen".

Open-Source-Projekte gestalteten ihre Angebote zur allmählichen Umstellung von proprietärer Software immer einfacher und hätten die große Bedeutung der Interoperabilität mit proprietären Lösungen, wie beispielsweise bei Dateiformaten oder Netzwerkprotokollen, erkannt, meint Torvalds. Firmen, die eine Umstellung auf freie Software planten, sollten allerdings mehr Anpassungsbereitschaft zeigen. Oft helfe schon allein die Regel, sich nicht von einem einzigen Hersteller abhängig zu machen.

Torvalds meinte, ihm erscheine der Software-Gigant insofern als interessante Firma, als er ausnahmsweise auch mit Massenware richtig Geld verdiene und auch anfangs spezialisiert erscheinende Produkte über die Marktdominanz langfristig zu Massenware umwandeln könne. Microsoft habe daher als einer wenigen kein Interesse an Open Source. Während andere Firmen ihre Produkte auf freier Software aufbauen könnten, sei Open Source für Microsoft eine Bedrohung des Geschäftsmodells. Trotzdem halte er den unmittelbaren Niedergang von Microsoft für unwahrscheinlich. Seiner Ansicht nach könne Microsoft auch ohne Beherrschung des Massenmarkts als gewöhnliche Software-Firma überleben. Die Situation erinnere ihn eher an die von IBM vor 20 Jahren, als der Hardwaregigant die Kontrolle über den PC-Markt zu verlieren begann und zeitweise in massive Schwierigkeiten geriet, langfristig aber weder verschwand noch wesentlich schrumpfte. Nur die Gewinnmargen würden wohl dank Open Source nicht nachhaltig auf dem derzeitigen überhöhten Niveau verharren können.

Sollte Microsofts Marktanteil sinken, würde das der PC-Welt wohl guttun, wie das schon erwähnte Beispiel IBM zeige, meint Torvalds. Mehr Wettbewerb führe dazu, dass der Markt lebendiger und "erwachsen" werde. Die Ansicht, dass der PC-Markt mit Microsoft steht und fällt, hält der Linux-Erfinder für abwegig. Solch ein Quasi-Monopol führe eher zu Stillstand. Außerdem seien die Firmen mittlerweile weniger abhängig von Microsoft, trotz der weiterhin eminent wichtigen Rolle seiner Produkte. Für ihn sei allerdings kein Ersatz für Microsoft in Sicht, ein gereifter Markt dulde keine vorherrschende Stellung eines einzelnen Herstellers mehr. Eine genauere Vorstellung eines kommenden Marktes ohne Microsoft-Dominanz habe er allerdings nicht, sagte Torvalds. Der Computer sei darin nur noch ein Teil der Infrastruktur, allerdings werde der PC ein wichtiges Allerweltsgut zur Kommunikation und Berechnung. Die interne Struktur werde sich natürlich mit der Zeit stark verändern.

Dass Microsoft seine dominante Stellung weiter behaupten kann, glaubt Torvalds nicht. Die Geschichte zeige, dass große Erfolge immer zu eíner allzu großen Selbstzufriedenheit führten, was wiederum einen schleichenden Zerfall zur Folge habe. Es sei also nur eine Frage der Zeit, bis Microsofts Abstieg beginne. Open Source werde dabei sicherlich ein Faktor sein, ob der einzige, wisse er nicht. (mhe)