Kanada will auf Vorratsdatenspeicherung verzichten

Die kanadische Regierung hat einen Gesetzentwurf zu "Ermittlungsbefugnissen fürs 21. Jahrhundert" eingebracht, laut dem Telekommunikationsdaten im Verdachtsfall eingefroren werden sollen.

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Die kanadische Regierung hat Anfang der Woche einen Gesetzentwurf zu "Ermittlungsbefugnissen für das 21. Jahrhundert" ins Parlament eingebracht, laut dem Telekommunikationsdaten statt einer verdachtsunabhängigen Speicherung im Verdachtsfall eingefroren werden sollen ("Quick Freeze"). Die vorgeschlagene Regelung würde es der Polizei erlauben, Verbindungsdaten mit richterlicher Genehmigung in Echtzeit oder im Nachhinein zu erhalten, heißt es in einer Erklärung des Justizministeriums. Dabei könnten auch zeitweilige Aufbewahrungsanordnungen erlassen werden, demzufolge die betroffenen Provider die begehrten Informationen solange vorhalten müssten, bis die Ermittler mit einem Zugriffsbescheid vom Gericht kämen.

Das Justizressort betont, dass es sich dabei nicht um eine Vorratsdatenspeicherung handle, wie sie hierzulande erneut diskutiert wird. Es gehe nicht um die Sammlung und Speicherung der Verbindungsdaten aller Nutzer für eine gewisse Zeit. Vielmehr wäre eine entsprechende Anordnung auf Informationen beschränkt, "die bei einer spezifischen Untersuchung helfen würden". Dies sei ausreichend, um die Kommunikationsspuren über verschiedene Netzwerkknoten hinweg zu einem Verdächtigen zurückzuverfolgen. Damit hätten die Strafverfolger die Werkzeuge in der Hand, um mit den aktuellen technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, erklärte der kanadische Justizminister Rob Nicholson. Sie könnten damit besser etwa gegen sexuellen Kindesmissbrauch, organisierte Verbrechensstrukturen im Internet und Terrorbedrohungen vorgehen.

Der Entwurf sieht auch vor, dass die Polizei mit Richtergenehmigung Zugriff auf Standortinformationen etwa von Mobiltelefonen oder GPS-Navigationssystemen erhalten soll. Dabei soll ebenfalls zwischen einem Zugang zu den Daten in Echtzeit und für einen begrenzten Zeitraum im Nachhinein unterschieden werden. Zudem will die Regierung den Besitz von Werkzeugen sanktionieren, mit denen Schaden im IT-Bereich angerichtet werden kann. Darunter sollen unter anderem auch Computerviren fallen. Die Bestimmung wäre vergleichbar mit den umstrittenen "Hackerparagraphen" hierzulande. Zudem soll die internationale Rechtshilfe zur Aufklärung von Computerkriminalität verbessert werden. Insgesamt möchte die kanadische Regierung mit dem Vorstoß die Cybercrime-Konvention des Europarates von 2001 und ein Zusatzprotokoll zur Kriminalisierung rassistischer und fremdenfeindlicher Äußerungen im Internet umsetzen.

Die inhaltliche Überwachung der laufenden Telekommunikation will die kanadische Regierung mit einem zusätzlichen Gesetzentwurf auf die Internettechnik ausrichten. Zugangsanbieter müssten demnach Abhörfähigkeiten in ihre Netzwerke einbauen, damit Sicherheitsbehörden leichter und effizienter Kommunikationsübertragungen mitschneiden könnten. Voraussetzung soll erneut eine richterliche Befugnis sein. Nicht zuletzt sieht der Vorstoß vor, dass Provider Bestandsdaten ihrer Kunden wie Name und Anschrift an Strafverfolger, Geheimdienste und das Kartellamt herausgeben müssten. Der Regierung zufolge gingen dem Verfassen der beiden "ausbalancierten" Entwürfe Sondierungen mit einer Reihe an Interessensvertretern wie der Internetwirtschaft, Bürgerrechtsorganisationen, Polizeigewerkschaften oder Justizvertretern voraus. (vbr)