In der mobilen Wolke

Start-ups versuchen erfolgreich, Firmen neuartige Softwarelösungen für Geschäftsanwendungen zu verkaufen - Internet-basiert und auf Kosten großer Player wie Microsoft.

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Von
  • Chris Dannen

Start-ups versuchen erfolgreich, Firmen neuartige Softwarelösungen für Geschäftsanwendungen zu verkaufen – Internet-basiert und auf Kosten großer Player wie Microsoft.

Kurz nachdem Apple im vergangenen Frühjahr sein iPad vorgestellt hatte, erwarb die Callaway Golf Company rund 80 Exemplare des Tablets-Rechners für ihre Marketing- und Verkaufsabteilung. Es dauerte nicht lange, bis die meisten der dort arbeitenden Menschen eine Software namens Box.net einsetzten, mit der sie Firmendokumente weitergeben und kommentieren konnten. Dabei hatte die IT-Abteilung das überhaupt nicht offiziell erlaubt. "Ich weiß gar nicht, wie und wann Box.net plötzlich ins Spiel kam", grinst Verkaufsleiter Jim Vaughn. Trotzdem wurde die Lösung zu einem riesigen Erfolg: Mittlerweile befindet sich Box.Net auf Tausenden von Smartphones und Tablets innerhalb der Firma.

Die Callaway-Mitarbeiter konnten die Software so schnell adaptieren, weil sie nicht auf den PCs des amerikanischen Golfspezialisten gespeichert war, sondern auf entfernten Servern im Internet – in der "Cloud", wie man heute gerne sagt. Diese und ähnliche Geschichten spielen sich gerade bei vielen größeren und kleineren Firmen ab. Mobilgeräte verändern, wie Geschäftsanwendungen gekauft und verwendet werden. Dabei wird auch die Entscheidungsgewalt erstaunlich oft verlagert: Weg von den zentral gesteuerten IT-Abteilungen und hin zu den Nutzern selbst. Ein bisschen erinnert das an die historische Entwicklung der Computerei: Selbst der PC auf jedem Schreibtisch war mancher EDV-Abteilung ja anfangs nicht geheuer.

Box.net aus dem kalifornischen Palo Alto ist dabei nur eines von mehreren Start-ups mit guter Risikokapitalausstattung, die versuchen, über den Smartphone- und Tablet-Trend bei Unternehmen einen Fuß in die Tür zu bekommen. Andere Beispiele heißen Yammer (Microblogging für Firmen), Nimbula (Cloud-Infrastruktur) oder Zuora (Online-Rechnungslegung). Allen ist gemeinsam, dass ihre Manager glauben, dass iPhones, iPads und Android-Geräte nicht nur spaßige Gadgets sind, sondern die Arbeit von Firmen grundlegend revolutionieren könnten.

Der Markt für Geschäftssoftware ist schon jetzt höchst lukrativ – mehr als 200 Milliarden werden hier weltweit im Jahr umgesetzt. Der Trend geht dabei schon jetzt in Richtung Cloud – und das insbesondere über Mobilgeräte. "Der Mobilbereich lässt sich hinter einer Firmen-Firewall nur schwer managen", sagt David Sacks, Chef von Yammer, einer Art Twitter fürs Business. Sein Dienst erlaubt den schnellen Austausch der Mitarbeiter untereinander und wird bereits bei Konzernen wie AMD, Intuit oder Cargill eingesetzt.

Die neuen Cloud-Angebote sind dabei äußerst kostengünstig – so kostet Box.net beispielsweise nur 15 Dollar pro Nutzer pro Monat. Wenn Prognosen des IT-Marktforschungsinstituts ABI Research stimmen, könnten die jungen Firmen so bis 2015 bis zu 5,2 Milliarden Dollar vom Gesamtmarkt abknapsen – mit bis zu 240 Millionen einzelnen Nutzern.

Firmen wie Microsoft, die derzeit den Enterprise-Markt beherrschen, reagieren bislang nur langsam. Deren Nutzer verwenden die aktuellen Cash-Cow-Produkte wie Office (Büroanwendungen) oder Dynamics (Geschäftspaket) zumeist auf ihren PCs, die mit internen Servern gekoppelt sind, die in firmeneigenen Rechenzentren stehen. Solche Software wird an große Firmen über sogenannte Site-Lizenzen verkauft, die mehrere Millionen Dollar wert sein können.

Die neuen Cloud-Dienste mit Mobilanbindung bieten zwar nicht alles in einem Paket, können aber gemeinsam genutzt werden. So ergibt sich quasi eine Art Internet-Allianz gegen Microsoft. So funktionieren beispielsweise Box.net und Yammer zusammen mit dem Online-Produktivitätspaket Google Apps, für das Google nur 50 Dollar im Jahr pro Nutzer sehen will. Bei dem Internet-Riesen sieht man die Entwicklung naturgemäß positiv, wie Chris Vander Mey, leitender Produktmanager für Google Apps, sagt. Die Idee sei, eine Alternative zu Microsoft Office in der Cloud anzubieten, die es einfach macht, Daten zwischen Software auszutauschen. "Das erlaubt uns eine Konzentration auf einige bestimmte Dinge, die wir besonders gut können", sagt Vander Mey.

Erst als Microsoft Ende Oktober sein neues Windows Phone 7-Betriebssystem vorstellte, begann der Konzern ernsthaft damit, in der mobilen Cloud mitzuspielen. Mittlerweile gibt es spezielle Entwicklungswerkzeuge dafür und der Softwaregigant bietet außerdem Cloud-basierte Versionen von SharePoint und Office an, die auf Mobilgeräte optimiert sind. Alan Meeus, leitender Produktmanager bei Microsoft, meint, dass seine Firma Windows Phone 7 stets in Kombination mit Windows Azure, einer Cloud-Plattform, betrachtet. Damit sei nahezu jede Anwendung möglich.

Allerdings haben die Mobile Cloud-Start-ups mittlerweile mehr als drei Jahre Vorsprung. Sie begannen ihre Arbeit zumeist, als das iPhone erstmals auf den Markt kam. Mittlerweile sind das Apple-Gerät und seine Pendants mit Android-Betriebssystem in der Hand von Millionen Firmenmitarbeitern.

Box.Net-Firmenchef Aaron Levie baute sein Geschäft auf einer simplen Prämisse auf: Die meisten Menschen tragen mittlerweile zwei Geräte mit sich herum, obwohl doch eines ausreichen würde. Aus Consumer-Geräten werden jetzt die neuen Geräte fürs Business, glaubte Levie deshalb. Dazu brauche es nur die passende Software. "Uns wurde klar, dass wir den Nutzern folgen müssen." Mittlerweile kann Box.net Firmen wie Nike, Marriott, Dole und Clear Channel Communications zu seinen über 60.000 Geschäftskunden zählen.

Und genauso wie Endkunden ständig neue Smartphone-Anwendungen ausprobieren, können sich auch geschäftliche Nutzer in einem der App Stores mit neuer Firmensoftware versorgen. "Bei Cloud-Diensten kosten auch Fehlschläge weniger", meint Mark Brennan, der beim Internet-Radio-Anbieter Pandora für geschäftliche Lösungen verantwortlich ist.

Pandora setzt konsequent auf die Cloud. So erledigt der Billing-Dienst Zuora die Rechnungsstellung für das Premium-Abo der Firma. Box.net lobt Brennan vor allem deshalb, weil der Anbieter es erlaubt, verschiedene Software-Services unter einer Plattform darzustellen. Da könne dann ein Teil der Mannschaft mit Google Docs arbeiten, während ein anderer Salesforce Content nutze, um an Sales-Daten zu gelangen.

Pandora ist auch sonst völlig Cloud-orientiert. Die Firma nutzt an ihrem Hauptquartier in Oakland kein einziges Stück Enterprise-Software mehr lokal. Brennan sieht darin ein Vorbild für die verschiedensten Industrien. "Der Status Quo ist immer schlecht für Innovationen. Ein Umbruch wie der jetzige hat daher etwas Gutes." (bsc)