EU-Parlament lehnt Fluggastdatentransfer nach Kanada ab

Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich gegen ein von EU-Rat und Kommission ausgearbeitetes Abkommen, weil sie erst den Ausgang der Klage gegen einen ähnlichen Deal mit den USA abwarten wollen.

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Das EU-Parlament hat am heutigen Donnerstag mehrheitlich gegen ein Abkommen mit Kanada zur Flugpassagierdaten-Weitergabe votiert. Die Abgeordneten wollen damit insbesondere ein Zeichen dagegen setzen, dass ihnen der EU-Rat und die Kommission, welche die Vereinbarung ausgearbeitet hatten, in derlei Sicherheitsfragen nach wie vor keine Mitspracherechte zugestehen. Aus demselben Grund bleibt das "Nein" aus dem Parlament zunächst auch rein symbolisch -- die beiden anderen EU-Gremien können das Abkommen dennoch in Kraft setzen. Die Situation könnte sich aber ändern, weil gerade der von den Abgeordneten abgelehnte Abschluss einer noch deutlich weiter gehenden Vereinbarung zum Fluggastdatentransfer mit den USA auf Antrag des EU-Parlaments beim Europäischen Gerichtshof überprüft wird. Mit einem Urteil wird Ende des Jahres gerechnet.

320 Abgeordnete stimmten in der Plenarsitzung in Straßburg für einen 16-seitigen Bericht der Niederländerin Sophia in't Veld (Liberale), der die Ablehnung der Vereinbarung empfohlen hatte. 53 Parlamentarier wollten der lange hinter verschlossenen Türen verhandelten Initiative grünes Licht geben. 192 enthielten sich, darunter ein Großteil der konservativen Europäischen Volkspartei. Der für die SPD im EU-Parlament sitzende Verkehrsexperte Ulrich Stockmann begrüßt die Entscheidung: "Der Anti-Terrorkampf und der Schutz von Reisenden hat oberste Priorität", betonte er am Tag der blutigen Anschläge auf den Öffentlichen Nahverkehr in London. "Aber er kann und muss in einem Gleichgewicht mit den ebenso wichtigen Werten der Freiheit und Demokratie geführt werden." Stockmann empfindet es als "problematisch, dass die EU-Regierungen vollkommen unkontrolliert Verpflichtungen über die persönlichen Daten ihrer Bürger abschließen". Die gewählten Volksvertreter müssten "in einem wirksamen Zustimmungsverfahren der Demokratie im Kampf gegen den Terror zum Sieg verhelfen können".

Die Grüne Kathalijne Buitenweg sieht den Fall ähnlich: "Es ist schockierend, dass die Kommission diesen Vertrag durchpeitschen will, bevor der Gerichtshof ein Urteil zu dem kontroversen EU-US-Passagierdatenfall getroffen hat", schimpft die Niederländerin. Das Abkommen mit Kanada sei aber bürgerrechtsfreundlicher ausgelegt als sein US-Pendant, sieht sie auch positive Seiten. So würde die zuständige kanadische Behörde, die Canada Border Service Agency (CBSA), weniger Datensätze verlangen, diese für kürzere Zeit speichern wollen und den Passagieren beispielsweise die Einsicht und Korrektur ihrer persönlichen Informationen zugestehen. Auch Stockmann lobt, dass sich die Kanadier verpflichtet hätten, europäische Datenschutzforderungen tatsächlich einzuhalten. Kanada verfüge über ein effizientes Datenschutzmodell. "Davon träumen wir bei den US-Partnern nur", räsoniert der Luftfahrtsexperte. Hätten Rat und Kommission im Fall USA nicht so "rücksichtslos gegen das Parlament" verhandelt, hätte man den kanadischen Vertrag sogar "durchwinken" können.

Die Kanadier beschlossen nach dem 11. September ähnlich wie die USA und später Australien und Neuseeland, Fluggastdaten als Handhabe zum Aufstellen von "Beobachtungslisten" und "No Fly"-Datenbanken einzusetzen. Sie sollen eine erste automatisierte "Sicherheitsbewertung" der Einreisenden ermöglichen, indem sie auch mit anderen, zum Teil kommerziellen Informationssätzen abgeglichen werden. Während die Kommission mit der Einführung eines vergleichbaren Systems liebäugelt, äußerte das Parlament Vorbehalte. Die Abgeordneten verwiesen vor allem darauf, dass die weit gefassten Daten bei der Bekämpfung des Terrorismus keine Wirkung zeigen würden, den Weg hin zu einem allumfassenden Beobachtungssystem ebnen und gegen allgemeine, etwa in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Grundsätze verstoßen könnten.

Bei den begehrten Flugpassagierinformationen handelt es sich um relativ variable Datensätze, die von den einzelnen Fluggesellschaften über Buchungssysteme verarbeitet werden. Während einige Fluggastdatenbanken nur eine begrenzte Zahl von Informationen enthalten, umfassen andere ausführliche Angaben über einzelne Personen, darunter Details über vergangene Reisen, Pläne für Auto- und Hotelreservierungen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Wohnsitz und Geschäftsadresse und Informationen über Kreditkarten. Die CBSA legt Fluggesellschaften seit Februar Geldstrafen auf, wenn sie diese Informationen nicht zur Verfügung stellen. Die EU wurde bis zum Abschluss des Abkommens von dieser Pflicht befreit. (Stefan Krempl) / (pmz)