Elektroden aus zerknülltem Kohlenstoff

Ein neuer Superkondensator speichert mit Hilfe des Nanomaterials Graphen fünfmal mehr Energie als kommerziell verfügbare Geräte.

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Von
  • Prachi Patel

Je mehr der Zug zur Elektromobilität Fahrt aufnimmt, desto dringlicher wird die Frage nach leistungsfähigen Energiespeichern. Deshalb wird auch intensiv an so genannten Superkondensatoren geforscht, die in kurzer Zeit viel elektrische Energie aufnehmen und abgeben können. Kommerziell verfügbare Geräte fassen aber bislang nur rund fünf Prozent der Energiemenge von Lithium-Ionen-Akkus – das reicht gerade, um etwa in Hybridbussen das Beschleunigen zu unterstützen.


Die Firma Nanotek Instruments aus Ohio hat nun einen Speicher entwickelt, der fünfmal mehr Energie aufnehmen kann als herkömmliche Superkondensatoren. Kernstück sind Elektroden aus Graphen: einlagigen Kohlenstoffschichten – deren Entdecker im Oktober mit dem Physiknobelpreis gewürdigt wurden –, die die Kondensatoroberfläche deutlich vergrößern: Ein Gramm Graphen hat eine Oberfläche von 2675 Quadratmetern. „Wir versuchen damit die Leistungslücke zwischen Lithium-Ionen-Akkus und großen Superkondensatoren zu schließen“, sagt Nanotek-Forscher Bor Jang.

In Tests konnten die münzgroßen Kondensatorzellen bei Zimmertemperatur 85,6 Wattstunden Strom pro Kilogramm Material aufnehmen. Da die Elektroden etwa ein Drittel der Gesamtmasse ausmachten, liege die Kapazität des Prototyps effektiv bei rund 28 Wattstunden, sagt Jang. Zum Vergleich: Herkömmliche Superkondensatoren schaffen fünf bis zehn Wattstunden, Nickel-Metallhydrid-Akkus zwischen 40 und 100 Wattstunden und Lithium-Ionen-Akkus – je nach Material – gar 120 bis 200 Wattstunden pro Kilogramm Material.

Akkus würden üblicherweise im mittleren Bereich eines Ladungszyklus betrieben, schränkt MIT-Ingenieur Joel Schindall, Experte für die Energiespeicher, allerdings ein. Häufig würden sie nur 20 bis 50 Prozent ihrer Kapazität nutzen. Selbst wenn ein Superkondensator nur ein Fünftel der Energiedichte aufweise, könnte er also eine Alternative für Elektroautos darstellen.

Weil das Be- und Entladen von Akkus über chemische Prozesse abläuft, kann der Vorgang zudem leicht einige Stunden dauern. Dabei nutzt sich die Speicherfähigkeit der Elektroden allmählich ab. Superkondensatoren hingegen speichern Ladungsträger nicht chemisch, sondern elektrostatisch durch eine Ionenverschiebung. Dieser Prozess dauet nur wenige Minuten und lässt sich im Prinzip Millionen Mal ohne nennenswerte Materialabnutzung wiederholen.

Während sich in herkömmlichen elektrotechnischen Kondensatoren zwischen zwei Leiterplatten ein isolierendes Material (Dielektrikum) befindet, bestehen kommerzielle Superkondensatoren aus Elektroden aus porösem Kohlenstoff, deren Zwischenraum mit einem flüssigen Elektrolyt gefüllt ist. Dessen bewegliche Ionen sammeln sich in den Poren, wenn eine elektrische Spannung angelegt wird. Graphenschichten bieten im Vergleich zu den Poren viel mehr Fläche, um Ionen aufzunehmen. Zudem könnten diese sich schneller anlagern und wieder lösen. In der Praxis funktioniert dies bislang nur mäßig, weil bei den gegenwärtigen Herstellungsverfahren sich überlappende Graphenschichten entstehen – wodurch die Speicherfläche schrumpft.

Den Nanotek-Ingenieuren ist es nun gelungen, Graphen in einer Form zu produzieren, die an zerknülltes Papier erinnert (siehe Bild). Diese Form reduziert die Überlappung deutlich. Der gegenwärtige Nanotek-Prototyp hält allerdings noch keine Millionen Ladezyklen durch. Laut Jang nehme die Kapazität bereits nach 500 Zyklen um ein Zehntel ab.

Besser schneiden die Kondensatoren von Graphene Energy aus dem texanischen Austin ab. Sie kämen auf ähnliche Energiedichten, würden aber nach 10.000 Ladezyklen nur drei Prozent ihrer Kapazität einbüßen, sagt CEO Dileep Agnihotri. Mit Lade- und Entladezeiten von einer Sekunde sei man im Bereich von Bleiakkus, wie sie in Autobatterien eingesetzt werden.

MIT-Forscher Schindall setzt mit seinem Start-up FastCAP Systems auf dichte Matten aus Kohlenstoffnanoröhren als Elektrodenmaterial. Mit ihnen erreicht die Firma Energiedichten von 20 bis 25 Wattstunden pro Kilogramm. Ziel seien 30 Wattstunden, sagt Schindall. Bis zu einem marktreifen Produkt seien aber noch zwei Jahre Entwicklungsarbeit nötig.

Schindall ist denn auch von der dreimal höheren Energiedichte der Graphen-Kondensatoren beeindruckt. Ein Problem hält er aber bei allen Ansätzen, die Nanomaterialien aus Kohlenstoff einsetzen, für ungelöst: Die Elektroden müssen auch in größeren Abmessungen dieselbe Qualität haben. Solange diese Skalierung nicht gelinge, so Schindall, dürfte es schwer sein, den bisherigen Akkus Konkurrenz zu machen.

Das Paper:
Liu, C. et al., "Graphene-Based Supercapacitor with an Ultrahigh Energy Density", Nano Letters 8.11.2010 (Abstract). (nbo)