Konsequenzen aus BGH-Entscheid zu Verbindungsdaten gefordert

FDP-Abgeordnete rufen zum Verzicht auf das unnötige Hamstern von IP-Adressen und zum Stopp der Umsetzung der EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung auf, während auch Website-Betreibern Klagen drohen.

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Mehrere FDP-Abgeordnete haben nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH), eine Revision gegen ein restriktives Urteil des Landgerichts Darmstadt zur Speicherung von Verbindungsdaten durch T-Online nicht zuzulassen, zum Verzicht auf das unnötige Hamstern von IP-Adressen aufgerufen. Vor allem fordern sie einen Stopp der Umsetzung der EU-Vorgaben zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten.

"Die Entscheidung des BGH sagt unmissverständlich, dass die Vorratsdatenspeicherung unter den gegebenen rechtlichen Voraussetzungen nicht rechtmäßig ist", sind sich die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und ihre innenpolitische Kollegin, Gisela Piltz, einig. Auch der Internetexperte der Fraktion, Hans-Joachim Otto, ermahnt die Regierungskoalition in diesem Zusammenhang, "von geplanten gesetzgeberischen Versuchen abzusehen, die Bürgerrechte durch übertriebene Kontrollmaßnahmen einzuschränken."

Auch wenn der BGH den Einspruch der Deutschen Telekom als Mutter von T-Online vor allem aus formellen Gründen ablehnte, sehen Leutheusser-Schnarrenberger und Piltz diesen Schritt "in der großen Tradition der deutschen Rechtsprechung zum Schutz der persönlichen Daten eines jeden". Die heftig umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kann ihrer Ansicht nach damit "so nicht umgesetzt werden". Der Zeitraum für die in der Direktive vorgesehene Sammlung von Verbindungs- und Standortdaten sei etwa zu lang bemessen. Weiter monieren die beiden Sprecherinnen, dass Bundesjustizministerin Brigitte Zypries überhaupt einer Richtlinie zugestimmt habe, die eine für unzulässig erklärte Datenspeicherung zulasse. Die FDP werde "peinlich genau" darauf achten, dass bei der von Schwarz-Rot prinzipiell bereits befürworteten Implementierung der Brüsseler Vorgaben "die höchstrichterlich bestätigten rechtsstaatlichen Maßstäbe berücksichtigt werden".

Otto appellierte gleichzeitig an alle Internetprovider, die richtungsweisende Entscheidung des BGH zum Anlass zu nehmen, die verdachtsunabhängige Speicherung von nicht unbedingt zur Abrechnung notwendigen Verbindungsdaten zu unterlassen. Wie auch die Vorgängerurteile des Amts- und des Landgerichts Darmstadt gilt der BGH-Beschluss eigentlich nur für den Vertrag zwischen T-Online und dem Kläger, dem Münsteraner Privatmann Holger Voss. Laut Otto muss aber generell ausgeschlossen sein, "dass Internetprovider von sich aus und ohne gesetzlichen Auftrag Daten ihrer Kunden massenhaft speichern". Eine ins Blaue hinein erfolgende massenhafte Speicherung von Telekommunikationsdaten sei ferner allgemein weder mit geltendem Telekommunikations- noch mit Datenschutzrecht vereinbar.

Laut dem Juristen Patrick Breyer, der bei der Ausarbeitung einer Musterklage auch für andere um ihre Privatsphäre besorgte Surfer geholfen hat, könnten aufgrund der Entscheidung zudem als nächstes Betreiber von Websites mit Klagen gegen die "verdachtsunabhängige Protokollierung der IP-Adressen ihrer Besucher zu rechnen haben". Auch diese Datensammelpraxis verstoße gegen das Teledienste-Datenschutzgesetz (TDDSG), weil sie nicht erforderlich sei. Die Beseitigung von Störungen, die Datensicherheit oder die Missbrauchsbekämpfung rechtfertig Breyer zufolge nach dem klaren Urteil "keine generalpräventive Pauschalspeicherung der IP-Adressen sämtlicher Nutzer", wie sie etwa von Amazon.com, eBay oder zahlreichen anderen Webdienste-Anbietern praktiziert werde.

Das neu geplante Telemediengesetz (TMG), in das auch Regelungen aus dem TDDSG einfließen sollen, wird dem Rechtsexperten nach an dieser Lage nichts ändern. Es erweiterte zwar die Auskunftsrechte auf Polizei und Rechteinhaber. Diese im Raum stehenden neuen Befugnisse würden die Einhaltung des IP-Speicherungsverbots aber nur noch wichtiger machen. Die Bundesregierung hatte in ihrem TMG-Entwurf zunächst festgeschrieben, dass die Anbieter von Tele- und Mediendiensten "für Zwecke der Strafverfolgung, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum" zur Herausgabe von Bestands- und Nutzungsdaten verpflichtet werden sollen. Inzwischen hat sie sich auf Anregung des Bundesrates dafür ausgesprochen, dass diese Klausel auch bei der "vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" greifen sollte.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)