Die Woche: Debians Freiheitsk(r)ampf

Als Admin entscheidet man pragmatisch: Desktops bekommen Ubuntu, und die Server Debian. Dumm nur, wenn man dann im Rechenzentrum keine Netzwerkverbindung hat, weil die Netzwerkkarten-Firmware nicht unter GPL steht.

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Als Admin entscheidet man gern pragmatisch: Auf die Linux-Desktops kommt Ubuntu LTS, und auf die Server das aktuelle Debian Stable Release, so wie immer. Außerdem eignet sich die Debian Net-Install-CD prima, um bei Problemen nach dem Rechten zu sehen – also ist die Netinst-CD fester Bestandteil des Admin-Notfallkoffers.

Dumm nur, wenn man dann im Rechenzentrum steht, einen neuen Mietserver aufsetzen will und partout keine Netzwerkverbindung bekommt. Dann dämmert es einem wieder, dass die Debian Netinst-CD im Koffer zwar eine pragmatische Entscheidung war, die Debianer ihrerseits aber nicht unbedingt pragmatisch, sondern manchmal auch ideologisch entscheiden – weshalb man sich jetzt erst einmal die fehlende Broadcom-Firmware via Handy herunterladen und per SD-Karte auf den Server kopieren darf. Man verhungert aus ideologischen Gründen mitten im Schlaraffenland.

Der Kampf für freie Software ist wichtig und ich finde es gut, dass es Leute gibt, die ihn leidenschaftlich führen. Schade nur, dass die Kompromissbereitschaft über die Jahre so sehr gelitten hat, man die Daumenschrauben immer weiter anzieht – worunter in erster Linie jedoch die Anwender leiden und nicht die Verursacher.

Mit dem kommenden Stable Release wird das Debian-Projekt wohl sein Ziel einer vollständig freien Linux-Distribution erreicht haben. Frei im Debian-Sinne, es sind also nicht nur sämtliche Quellen aller Distributionsteile offengelegt, sondern unter einer anerkannten Open-Source-Lizenz veröffentlicht.

Der Knackpunkt sind die sogenannten Firmware-Dateien für verschiedenste Hardware, angefangen vom Netzwerk-Chip bis hin zum MPEG-Decoder. Diese Firmware verbarg sich früher in einem EPROM oder Flash-Speicher und wird heute vom Treiber von der Festplatte nachgeladen.

Viele Firmen wie zum Beispiel AVM betrachten die Firmware als ihr Tafelsilber, in das sie viel Geld für die Optimierung gesteckt haben – und deshalb nicht bereit sind, die Quellen zu veröffentlichen. Bei anderen Herstellern sind es gesetzliche Auflagen, die es verhindern, unautorisierte Änderungen an der Firmware zu erlauben – etwa bei UMTS-Modems, die bei falscher Programmierung Teile des Netzes lahmlegen könnten.

Solche nicht gänzlich freien Firmware-Dateien sind dem Debian-Projekt seit langem ein Dorn im Auge, weshalb man sie schon bei Debian Etch-and-a-half diverse Firmware-Dateien, darunter die für die eingangs denannten Broadcom-Gigabit-Chips, aus dem Standard-Repository verbannt hat – was dann bei Admins, die die Release Notes nicht genau studiert hatten, auf manchen Rechnern zu unerwarteten Problemen führte. Mit Squeeze geht das Debian-Projekt jetzt noch einen Schritt weiter und entfernt aus dem Kernel alle Firmware-Teile, die nicht vollständig offengelegt sind. Die Situation wird sich mit Squeeze also noch einmal verschärfen, es wird noch mehr Hardware geben, die Linux problemlos unterstützt – die offizielle Debian Netinst-CD jedoch nicht.

Andererseits will das Debian-Projekt im Non-Free-Repository genau solche Programme und Firmwares anbieten, die aufgrund der Lizenzpolitik nicht im offiziellen Debian-Repository aufgenommen werden.

Wie wäre es denn mit einer pragmatischen Lösung? Für den Unstable- und Testing-Entwicklungszweig bieten die Entwickler inoffizielle Netinst-CD-Images an, die genau die fehlenden Firmware-Dateien enthalten – dann könnte man doch auch für das Stable Release neben der offiziellen Debian Netinst-CD ein Image mit all den nicht freien Treibern und Firmwares zusammenstellen. So hätten die Admins die Wahl zwischen der ideologisch einwandfreien Netinst-CD und der einer Debian Non-Free-Netinst-CD mit allem, was man baucht, damit man nicht länger im Server-Schlaraffenland verhungert. (mid) (mid)