Bundesrat liebäugelt mit Softwarepatenten

Die Länderkammer hat die Bundesregierung aufgefordert, sich gegen das EU-Gemeinschaftspatent und für ein Streitregelungsabkommen einzusetzen, das laut Kritikern die bessere Durchsetzung von Softwarepatenten ermöglichen würde.

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Der Bundesrat hat auf Antrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung eine Entschließung (PDF-Datei) verabschiedet, wonach sich die Bundesregierung für den Fortgang der Verhandlungen über das umstrittene European Patent Litigation Agreement EPLA) einsetzen soll. Von dem Streitregelungsabkommen erhofft sich die Länderkammer eine bessere "gerichtliche Überprüfung und Durchsetzung von Patenten in grenzüberschreitenden Fällen". Das von der EU-Kommission im Rahmen der laufenden Konsultation zur künftigen Patentpolitik bevorzugte Gemeinschaftspatent lehnt der Bundesrat dagegen in der bisher geplanten Form ab. Der dazu vorliegende Vorschlag sei nicht geeignet, ein effizientes, schnelles und kostengünstiges Verfahren zur Vergabe und Durchsetzung von Patenten zu etablieren.

Das EPLA, für das sich zuvor schon die bayerische Landesregierung sowie das Bundesjustizministerium stark machten, wird von Softwarepatentgegnern sehr kritisch gesehen. Ähnlich wie der Gesetzesentwurf für ein Gemeinschaftspatent würde das Streitregelungsabkommen ihrer Ansicht nach die weitgehende Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes (EPA) in der EU kodifizieren und damit die von der Münchner Behörde bereits tausendfach vergebenen Softwarepatente sanktionieren. Denn auch diese könnten dann gerichtlich einfacher durchgesetzt werden. Generell würden so die Stellung des EPA und der Geist der fallbezogenen Entscheidungen seiner Beschwerdekammer gestärkt. Ganz außen vor lassen will der Bundesrat bei Patentstreitigkeiten nationale Gerichte, die sich bislang häufig kritisch gegenüber der EPA-Praxis geäußert haben, aber dann doch nicht. So soll bei ihnen auch im Rahmen der befürworteten neuen EU-weiten Patentgerichtsbarkeit zumindest noch die "erstinstanzliche Zuständigkeit" liegen.

Vereine wie der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) oder der Softwarepatentkritiker Florian Müller haben wiederholt zur Teilnahme an der kontrovers betrachteten Umfrage der Kommission aufgerufen. Interessierte können dazu auch die FFII-Stellungnahme über eine gesonderte Webseite ausdrucken und an den Verein faxen, der dann für eine fristgerechte Abgabe der Meinungsäußerungen bis zum Ende der Woche sorgen will. Laut den Kritikern können neue Regeln für die Schlichtung von Patentstreitigkeiten erst Sinn machen, wenn eine rechtliche Klarstellung in der EU über den vom Europäischen Patentübereinkommen geforderten Ausschluss von Software "als solcher" von der Verleihung des gewerblichen Rechtsschutzes erfolgt sei.

Für den Fall, dass sich in Brüssel keine Einigkeit über das EPLA erzielen lässt, reden die Länder ebenfalls einem weiteren Versuch einer "Harmonisierung" des Patentwesens auch in "materiellrechtlicher Hinsicht" das Wort, bleiben dabei aber denkbar unbestimmt. Den vorläufig letzten Anlauf in diese Richtung über die heftig umkämpfte Softwarepatentrichtlinie hatte das EU-Parlament im vergangenen Jahr nach langen Grabenkämpfen gestoppt. Beim neuen Harmonisierungsansatz müssen der Länderkammer zufolge die Vorschriften "Klarheit über den Inhalt und Umfang eines Patents bringen", wobei "bei der Bestimmung der Grenzen die Interessen der Rechteinhaber mit den Gemeinwohlinteressen – fairer Wettbewerb, ethisches Verhalten, Umweltschutz, Gesundheitsschutz, Informationsfreiheit, Freiheit von Wissenschaft und Forschung, Innovation – wohl" abzuwägen seien. Harmonisierungsbedarf sehen die Länder dabei auch für "die in den Mitgliedsländern divergierende Spruchpraxis" wie etwas im Bezug auf die Festlegung des Schutzumfangs eines Patents etwa gemäß dem Wortsinn oder auch einer so genannten äquivalenten Lösung.

Ferner setzt sich der Bundesrat nachdrücklich dafür ein, die bisher vorgesehene kostenintensive Übersetzung von Patentansprüche in alle Amtssprachen der EU aufzugeben. Das Londoner Übereinkommen sei deshalb zu begrüßen. Im Regelfall wäre ein vom EPA erteiltes Patent damit nur noch in die beiden übrigen Amtssprachen der Behörde zu übersetzen, die noch nicht im Erteilungsverfahren zum Zuge kamen. Nach dem Vorbild der Sprachregelungen in einzelnen EU-Richtlinien könnte es sich laut der Länderkammer aber auch anbieten, dass der Patentanmelder die Patentansprüche lediglich in der Sprache seines Heimatstaats und in einer weiteren Sprache, "die vom Europäischen Patentamt akzeptiert wird oder die im Patentwesen gebräuchlich ist", vorlegen müsse. Nur dann könne das eigentliche Ziel der Harmonisierung des Patentrechts in der EU erreicht werden.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente unter anderem in Europa und um die die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)