EU-Parlament protestiert gegen ungarisches Mediengesetz

Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán musste sich in Straßburg viel Kritik an der neuen Medienregulierung in seinem Land anhören. Der Konservative zeigte sich zu Zugeständnissen bereit, gab sich aber auch kampfeslustig.

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Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán musste sich am Mittwoch im EU-Parlament viel Kritik an der neuen Medienregulierung in seinem Land gefallen lassen. Eigentlich war der Regierungschef nach Straßburg gekommen, um die Agenda der bis Ende Juli andauernden ungarischen EU-Ratspräsidentschaft vorzustellen. Die Vorstellung vor den Volksvertretern geriet für den Konservativen aber zu einem Spießrutenlauf. Mehrere Fraktionsvorsitzende forderten den Konservativen auf, das ungarische Mediengesetz rasch zurückzuziehen oder zumindest auszusetzen. Die Vorwürfe gingen bis hin zu Anschuldigungen, dass sich das Land an der Donau zurück in eine kommunistische Überwachungsdiktatur verwandle.

Mehrere Abgeordnete der Grünen hielten zur Begrüßung Orbáns leere Titelseiten ungarischer Zeitungen hoch, die mit der Aufschrift "Zensiert" versehen waren. Zudem hatten sie sich ihre Münder zugeklebt. Der grüne Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit bescheinigte Orbán, auf bestem Wege zu sein, ein Abbild des umstrittenen venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chavéz zu werden. Im Anschluss an die Sitzung betonte Cohn-Bendit, dass es eine "ausgewogene Information", wie sie das ungarische Mediengesetz vorschreibe, nicht gebe. Medien müssten "für die Politik unbequem" sein und dürften nicht "geknebelt" werden.

In einer Demokratie kontrollierten die Medien die Macht und nicht umgekehrt, gab der SPD-Politiker Martin Schulz dem ungarischen Regierungschef mit auf den Weg. In Ungarn kontrolliere dagegen ein einseitig bestellter Medienrat, ob die Berichterstattung in den Medien ausgewogen sei. Das sei nicht mit EU-Recht vereinbar. Der stellvertretende Vorsitzende der Liberalen, Alexander Graf Lambsdorff, erinnerte Orbán an seine Wertschätzung für seinen Onkel Otto Graf Lambsdorff, der ein Freiheitskämpfer gewesen sei. Der Ungar solle nun dessen Andenken hochhalten und von dem Mediengesetz Abstand nehmen.

Unterstützung erhielt Orbán allein aus den eigenen Reihen. Die Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei steht derzeit einer kritischen Entschließung des Parlaments entgegen. Der CDU-Abgeordnete Werner Langen gab zu bedenken, dass Mediengesetze anderer europäischer Länder und Regionen mit dem ungarischen vergleichbar seien und verwies konkret auf das in Nordrhein-Westfalen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nannte die Pressefreiheit ein heiliges Prinzip und drohte Ungarn mit einem blauen Brief in der kommenden Woche, in dem Brüssel dem Mitgliedsstaat die Ergebnisse der laufenden Überprüfung des Mediengesetzes mitteilen wolle.

Orbán selbst zeigte sich "zum Kampf bereit", falls die Abgeordneten die Medienkontrolle in seinem Land mit der Führung des EU-Rates vermengen sollten. Anschuldigungen, er sei ein Diktator und es seien Sanktionen wegen unausgewogener Medien- oder Blogbeiträge vorgesehen, wies er zurück. Er sei aber zu Änderungen bereit, wenn Brüssel solche anmahne.

Im Bundestag war das ungarische Mediengesetz am Mittwoch ebenfalls Thema, auch wenn dazu anberaumte Aktuelle Stunde verschoben wurde. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, erklärte, dass die Pressefreiheit "ein fundamentales Thema unseres Selbstverständnisses ist". Er fügte an, dass "unsere ungarischen Freunde möglicherweise einen Fehler begehen und das nochmals überdenken sollten".

(vbr)