Die Woche: Meuterei auf der FFmpeg

Beim Projekt FFmpeg hat es richtig gekracht: Nach monatelangen internen Querelen haben 18 der Entwickler den bisherigen Projektleiter quasi vor die Tür gesetzt. Interessanter als die öffentliche Schlammschlacht ist jedoch, dass die Meuterei die Vorteile freier Entwicklungsmodelle veranschaulicht.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Andrea Müller

Eine Gruppe von 18 Entwicklern der freien Multimedia-Bibliothek FFmpeg hat diese Woche den bisherigen Projektleiter Michael Niedermayer entmachtet und die Führung des Projekts übernommen. In einer -- wie Niedermayer anmerkte -- für ihn völlig überraschenden Aktion haben die Abtrünnigen auf ffmpeg.org ein neues GIT-Repository für die Quellenverwaltung aufgesetzt, den Code in dieses überführt und sieben neue Projektverwalter ernannt, darunter x264-Hauptentwickler Jason Garrett-Glaser und Ronald S. Bultje. Auf das neue Repository haben nur noch die neuen Projektverwalter Schreibzugriff.

Pikanterweise kam es noch zu einer -- wie die Abtrünnigen sagen -- versehentlichen Synchronisation der beiden Repositories, sodass auch im alten Versionsverwaltungssystem auf Videolan.org der Hinweis auf Michael Niedermayer als Projektleiter entfernt wurde und der Download-Link auf das neue Repository zeigte.

Vorausgegangen waren diesem Schritt monatelange Streitigkeiten innerhalb des Projekts, die man im Archiv der Mailingliste nachlesen kann. Die 18 Entwickler werfen Niedermayer vor, stur auf einer einmal gefassten Meinung zu beharren, sich in Diskussionen um Kleinigkeiten zu verzetteln, statt das Projekt voranzubringen, und andere Entwickler persönlich anzugreifen. Aus diesem Grund habe man sich zu diesem radikalen Schritt entschlossen. Unter den nicht beteiligten FFmpeg-Entwicklern ist die Aktion
umstritten: Selbst einige von denen, die Verständnis für die Kritik an Niedermayers Führungsstil haben, empfinden die Art des Vorgehens als unangemessen und hätten sich eine vorherige Abstimmung gewünscht.

Ganz unabhängig von der Schuldfrage zeigt der Eklat deutlich die Vorteile eines freien Projekts: Wäre FFmpeg nicht Open Source, sondern ein kommerzielles Produkt eines Software- und Systemhauses, wäre es in einer Situation wie dieser massiv gefährdet. Auch in Unternehmen kommt es vor, dass Mitarbeiter mit ihrem Chef unzufrieden sind, aber denen bleibt dann nur die Kündigung. Wenn dann mehrere tragende Säulen der Entwicklung abspringen, ist unter Umständen die Existenz des ganzen Projekts gefährdet.

In der Open-Source-Welt hingegen kann der frustrierte Entwickler das Projekt einfach mitnehmen und einen Fork gründen. Und wenn genug andere Entwickler mitkommen, kann der Fork das ursprüngliche Projekt sogar ersetzen. Das FFmpeg-Projekt wird daher auf jeden Fall weiterexistieren: Ob das Original, der De-facto-Fork oder alle beide, ist momentan noch nicht abzuschätzen. Sicher ist jedoch, dass den Benutzern eine der wichtigsten Multimediabibliotheken erhalten bleibt. (amu) (amu)