Hunderte Änderungsanträge zum Websperren-Vorstoß der EU-Kommission

Abgeordnete im Innenausschuss des EU-Parlaments haben 342 Korrekturvorschläge zur Initiative für eine Richtlinie zur besseren Bekämpfung von Kinderpornographie eingebracht. Eine überfraktionelle Gruppe macht sich für Löschen statt Sperren stark.

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Abgeordnete im federführenden Innenausschuss des EU-Parlaments sehen großen Korrekturbedarf am Entwurf der EU-Kommission für eine Richtlinie zur besseren Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie haben insgesamt 342 Änderungsanträge eingebracht, von denen sich allein rund 45 auf den Internetteil des Vorhabens beziehen. Gute Chancen, eine Mehrheit in den Ausschussabstimmungen Anfang Februar zu finden, wird derzeit Vorschlägen einer überfraktionellen Gruppe zugebilligt, die sich im Gegensatz zur Kommission und zur Berichterstatterin Roberta Angelilli dafür einsetzen, das Prinzip "Löschen statt Sperren" festzuschreiben.

Mitgliedsstaaten sollen dafür sorgen, dass Webseiten mit Missbrauchsbildern direkt an der Quelle entfernt werden, heißt es in dem Kompromissvorschlag. Sollte dies nicht möglich sein, soll Mitgliedsstaaten zusätzlich der Weg offen stehen, Nutzern per Gesetz mit verhältnismäßigen und transparenten Verfahren den Zugang zu solchen Webseiten zu erschweren. In jedem Fall sollen aber die Grundrechte beachtet werden. Auch müsse vor solchen Schritten ein Gerichtsverfahren ermöglicht werden.

Das Änderungspaket unterstützen Sozialdemokraten, Grünen, Linke und auch Vertreter der Liberalen einschließlich Cecilia Wikström, eine Parteikollegin von Innenkommissarin Cecilia Malmström und ebenfalls Schwedin. Das konservative Lager zeigt sich noch gespalten. Einerseits votieren die Parlamentarier der Europäischen Volkspartei (EVP) Edit Bauer und Carlos Coelho strikt für das Löschen kinderpornographischen Materials. Die Kooperation zwischen Providern und Internetbeschwerdestellen beim Entfernen inkriminierter Bilder müsse gestärkt werden. Das Missbrauchsmaterial sei "rasch" zu löschen, unabhängig vom Standort der Server in der EU oder auswärts.

Der österreichische ÖVP-Vertreter Ernst Strasser und der CDU-Abgeordnete Axel Voss wollen dagegen gemeinsam mit zwei EVP-Kolleginnen die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, bei Schwierigkeiten mit dem Löschen von Kinderpornographie alles Erforderliche zur Blockade der Seiten zu unternehmen. Eine gesetzliche Regelung sehen ihre Änderungsanträge nicht zwingend vor. Nutzer und Inhalteanbieter seien gegebenenfalls über die Einschränkungen zu informieren. Die konservative Berichterstatterin Angelilli hatte zuvor auch eine zweigleisige Strategie ins Spiel gebracht. Sie hatte vorgeschlagen, dass kinderpornographische Inhalte an der Quelle gelöscht werden müssen; Blockaden sollen aber als einfach einzusetzende, etwa schon während laufender Löschbemühungen greifende Zusatzoption auf nationaler Ebene zugelassen werden.

Mehrere zivilgesellschaftliche Vereinigungen drängen derweil darauf, illegales Material zu löschen, und warnen davor, Sperrinfrastrukturen aufzubauen. "Internetsperren sind nicht geeignet, die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen zu verhindern", heißt es in einem offenen Brief der Opfer- und Kinderschutzorganisationen Mogis, Fundacja Kidprotect und Assocation L'Ange Bleu an die Abgeordneten. Auch Regulierungsansätze, "die auf außergesetzlichen und geheimen Verträgen mit der Privatwirtschaft" zur Blockade von Webseiten beruhten, verletzten fundamentale Grundrechtsprinzipien. Die Initiative "European Digital Rights" (EDRi) hat eine Kampagne gegen Websperren gestartet, die Nutzer anhand einer Argumentationsliste zum persönlichen Lobbyeinsatz aufruft.

Die Kommission hat unterdessen die Anschuldigung liberaler Parlamentarier zurückgewiesen, durch die finanzielle Förderung des Projekts CIRCAMP verschiedener Polizeibehörden eine generelle Überwachungspflicht für das Internet zu befürworten. Man habe zwar den Teil des Plans, ein Filtersystem und eine Datenbank mit Missbrauchsbildern aufzubauen, unterstützt, beschied die Brüsseler Regierungseinrichtung knapp. Darüber hinausgehend hätten sich aus dem Projekt aber keine weiteren Verpflichtungen für die beteiligten Unternehmen ergeben. (anw)