Ägypten: Verhafteter Google-Manager wieder frei

Wael Ghonim hatte sich der Protestbewegung gegen den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak angeschlossen. Die ägyptische Opposition will weiter mit der Regierung verhandeln, ruft aber auch zu neuen Großdemonstrationen auf.

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  • dpa

Googles Marketing-Direktor für Nahost und Nordafrika, Wael Ghonim, ist nach anderthalb Wochen in Polizeihaft wieder frei. Dies bestätigte Ghonims Bruder gegenüber dpa in Kairo. Der Internet-Manager war am 28. Januar auf dem Tahrir-Platz in Kairo festgenommen worden. "Freiheit ist ein Segen, für den es sich zu kämpfen lohnt", teilte er unmittelbar nach seiner Freilassung in einem Tweet mit.

Ghonim hatte sich der Protestbewegung gegen den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak angeschlossen. Er gilt als eine der treibenden Kräfte hinter den über Plattformen wie Facebook und Twitter geführten Internet-Kampagnen, die mit zu dem schnellen und massiven Anwachsen der Bewegung beigetragen hatten. Am Tag seiner Festnahme hatte er in einer Twitter-Botschaft vor der bevorstehenden Polizeigewalt gegen die Demonstranten gewarnt. Am Tag danach hatte es Dutzende Tote und Hunderte Verletzte gegeben.

Über seine Verhaftung wurden seine Angehörigen und die Öffentlichkeit bis zum Sonntag im Unklaren belassen. Der Vater zweier Kinder wurde infolge seiner Verschleppung durch die Behörden zu einem der Helden der Protestbewegung. Regierungsmedien beschimpften ihn als "Verräter an der Nation".

Derweil hofft die Opposition in Ägypten weiter auf einen friedlichen Machtwechsel. Auch wenn am Montag wieder Tausende Demonstranten in der Hauptstadt Kairo den sofortigen Rücktritt von Präsident Husni Mubarak forderten, sollen die Gespräche mit der Regierung am Dienstag fortgesetzt werden. Spekulationen über eine Reise Mubaraks nach Deutschland lösten im politischen Berlin Streit aus. US-Präsident Barack Obama drängt die Führung in Kairo ungeduldig zu einem Fahrplan für tiefgreifende Reformen.

Aus Oppositionskreisen hieß es am Montag, der Dialog mit Vizepräsident Omar Suleiman gehe wohl weiter. Die bisher politisch verfemte Muslimbruderschaft hatte nach dem ersten Treffen am Sonntag angekündigt, sie werde nur weiterverhandeln, "wenn die Forderungen der Demonstranten alle umgesetzt werden". Dabei geht es unter anderem um Verfassungsänderungen, echte Pressefreiheit und ein Ende des Ausnahmezustands, sobald dies die Sicherheitslage zulasse.

Tausende besetzten am Montag erneut den Tahrir-Platz im Zentrum Kairos. Auch in anderen Teilen des Landes, wie in Alexandria, gingen die Menschen auf die Straße. Die Nacht verlief weitgehend ruhig. Das Land kehrte langsam zur Normalität zurück. Geschäfte und Banken waren geöffnet. Für den Dienstag sind aber erneut Demonstrationen geplant: Mit einer Großkundgebung will die Opposition ihren Forderungen weiter Nachdruck verleihen.

Die Ägyptische Organisation für Menschenrechte (EOHR) reichte am Montag Klage gegen den alten Innenminister Habib al-Adli ein. Al-Adli habe Gewalt gegen friedliche Demonstranten am 25. und am 28. Januar angeordnet, hieß es zur Begründung. Nach Angaben von Human Rights Watch kamen bei den Unruhen in Ägypten seit dem 28. Januar mindestens 297 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften ums Leben. Wie die Menschenrechtsorganisation auf ihrer Internetseite mitteilte, starben in Kairo 232 Menschen, 52 weitere in Alexandria und 13 in Suez. Diese Zahlen seien notwendig zur Einordnung der Polizeigewalt in den vergangenen zwei Wochen in Ägypten, hieß es.

Auch Präsident Mubarak wird bereits mit Anzeige gedroht, sollte er nach Deutschland kommen. Der Generalsekretär des Europäischen Zentrums für Menschenrechte (ECCHR), Wolfgang Kaleck, sagte der Frankfurter Rundschau zur Begründung, es sei davon auszugehen, dass unter Mubaraks rechtlicher Verantwortung in Ägypten in den letzten Jahren oder Jahrzehnten massiv gefoltert worden sei. Seit Inkrafttreten des deutschen Völkerstrafgesetzbuches seien die Behörden in der Pflicht, eine Strafverfolgung aufzunehmen, wenn Verdächtige sich in Deutschland aufhielten. (jk)