Funknetze: Per Antennentrick zu Vollduplex über eine einzige Frequenz

Basierend auf einer pfiffigen Idee konnten Wissenschaftler von der Universität Stanford die Systemkapazität eines Funkprototyps fast verdoppeln – anders als üblich, sendet und empfängt er über einen einzigen Funkkanal gleichzeitig.

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Wissenschaftler von der Universität Stanford haben eine Technik entwickelt, mittels der sich anders als bisher über einen einzigen Funkkanal zugleich senden und empfangen lässt (Vollduplex-Betrieb). Ein von Philip Levis, Jung Il Choi und Kollegen entwickelter Prototyp hat so eine deutlich höhere Systemkapazität als ein herkömmliches Gerät, das denselben Funkkanal immer nur wechselweise zum Senden und Empfangen nutzt (Halbduplex).

Normalerweise übertönt eine Antenne im Sendebetrieb ein eingehendes Signal derart stark, dass es für den Receiver nicht mehr vernehmlich ist. Denn der Pegel des eingehenden Signals ist wegen der Streckendämpfung beim Empfänger um etliche Größenordnungen schwächer als der Pegel des eigenen gesendeten Signals. Dennoch setzen manche Funkverfahren Vollduplex-Techniken ein – aber eben über zwei Frequenzen (Frequency Division Full Duplex, wie in einer UMTS-Spielart üblich). Weil dafür zusätzliche aufwendige Analoghardware erforderlich ist, begnügt man sich oft mit der billigeren Version und nutzt nur einen Kanal im Halbduplex-Verfahren, bei dem immer nur einer von zwei Teilnehmern sendet. Das halbiert jedoch die Kapazität des Kanals, weil ein Teilnehmer nur die Hälfte der Zeit senden kann.

Wenn man separate Antennen zum Senden und Empfangen einsetzt und die Empfangsantenne dort aufstellt, wo die selbstgesendeten Daten am schwächsten eintreffen, empfangene Signale aber normal, dann lässt sich eine Frequenz dennoch zum gleichzeitigen Senden und Empfangen nutzen. Einen solchen Punkt haben Levis und Kollegen nun dadurch erzeugt, dass sie drei Antennen verwenden: zwei zum Senden eines identischen Signals und eine zum Empfangen. Der Kniff besteht in der exakten Konstellation der drei Antennen: Die Sendeantennen sind in einer Entfernung aufgestellt, in der sich Wellenberg der einen und Wellental der anderen am Scheitelpunkt treffen – dort treten Interferenzeffekte auf, bei denen sich die beiden Sendesignale im Idealfall gegenseitig auslöschen (Nullpunkt) und ebendort ist die beste Position für die Empfangsantenne. Die Technik bezeichnen die Autoren als Antenna Cancellation.

In der Praxis haut das nicht ganz so ideal hin, weil gängige Funksysteme nicht eine einzige Wellenlänge verwenden, sondern ein mehr oder minder breites Spektrum, sodass die Interferenz lediglich zu einer starken Dämpfung der Sendesignale führt. Für schmalbandige und damit langsame Funkverfahren ist der Effekt aber hinreichend, und was an Störungen übrig bleibt, rechnet ein nachgeschalteter Algorithmus raus – denn der Sender weiß ja, welches Signal er gerade funkt und kann ebendieses vom gesamten empfangenen Signal subtrahieren.

Levis und Kollegen haben nun mit handelsüblichen Bausteinen für ein Gerät, das gemäß der IEEE-Norm 802.15.4 funken soll, einen Prototyp gebaut (auf der IEEE-Norm 802.15.4 fußt die Funktechnik ZigBee, die man beispielsweise zum Auslesen von Sensordaten einsetzt). Ein ideales Vollduplexsystem würde auf einem Kanal den doppelten Systemdurchsatz gegenüber einem Halbduplexsystem erreichen (nur Rohdaten auf PHY-Ebene betrachtet). Die Autoren geben an, dass ihr Prototyp immerhin 84 Prozent davon erreicht.

So erscheint der Ansatz spannend, obschon die Technik noch am Anfang steht und daher zunächst nur geringe praktische Bedeutung hat. Das liegt auch daran, dass eine günstige Antennenposition in der Praxis nicht in jedem Fall einzuhalten ist: USB-Stecker oder Smartphones etwa sind für die Antennenkonstellationen diverser interessanter Funktechniken einfach zu klein. Zu beachten ist auch, dass mit zunehmender Sendeleistung die resultierende Dämpfung an der Empfangsantenne abnimmt. Beim Prototypsystem, das mit gerade mal 0 dBm (1 mW) Sendeleistung arbeitet, geht die Rechnung noch gut auf.

Viele gängige Funktechniken senden aber weit lauter, verbreitete WLAN-Geräte beispielsweise mit bis zu 15 dBm (30 mW). Schon deshalb steht es um den Einsatz für WLAN gemäß IEEE-Norm 802.11n nicht gut. Die Autoren führen zwar auf, dass ihren Berechnungen zufolge das Prinzip bis zu einer Sendeleistung von 20 dBm funktioniert. In die Überlegung muss man aber einbeziehen, dass 802.11n von Haus aus zwar per Halbduplexverfahren arbeitet, aber mehrere Antennen einsetzt, um räumlich getrennte Datenströme zu übertragen (Multiple Input Multiple Output, MIMO). Die Antenna-Cancellation-Technik würde auf WLAN angewendet eine Verschlechterung des Datendurchsatzes bedeuten. Deshalb würden sich WLAN-Nutzer diese Fullduplex-Technik erst dann wünschen, wenn sie sich mit MIMO kombinieren ließe. Unter anderem an genau solchen Konstellationen, die also auf Antennen-Arrays abzielt, möchten die Erfinder weiterforschen. Wenn überhaupt, dann sind anders als von optimistischen Beobachtern erwartet, Vollduplex-fähige WLAN-Geräte mit nur einem Frequenzband wohl nicht in den nächsten Jahren zu erwarten. (dz)