Truthähne und Adler

Microsoft und Nokia bilden eine Allianz der Verlierer, und sehen sich doch beide als Gewinner.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Zwei Truthähne machen keinen Adler.“ So ein vernichtender Tweet von Google-Mitarbeiter Vic Gundotra zwei Tage vor der großen Ankündigung, dass Nokia künftig seine Smartphones mit Windows Phone 7 ausrüstet und beide ein drittes „Ökosystem“ neben der Apple- und der Android-Welt aufbauen wollen (s. Seite 46 in iX 3/2011).

Microsoft und Nokia bilden eine Allianz der Verlierer, und sehen sich doch beide als Gewinner. Gemeinsam wollen sie nun die Konkurrenz das Fürchten lehren, eine Konkurrenz, die im letzten Jahr geradezu vernichtend war. Jedes zweite neu verkaufte Mobiltelefon ist mittlerweile ein Smartphone. Und wer kein iPhone will, der will eins mit Android. Nur wer sich beides nicht leisten kann, der landet bei Nokia. Nicht zuletzt wegen der kostenlosen Navigation, die auch ohne teure Datenverbindung funktioniert.

Nokia hatte einen guten Plan: Softwareentwicklung mit Qt für Symbian und MeeGo, die gemeinsame Plattform mit Intel. Eine runderneuerte Oberfläche für Symbian, eine ganz neue für MeeGo, mit einer Softwarebasis für beide. Was fehlte, war Zeit. Während iPhone und Android durchmarschierten, wurde in der Nokia-Zentrale in Espoo noch aufgesattelt. Der Schulterschluss mit Microsoft ist für viele eine Enttäuschung, aber auch ein Ende der Täuschung. Zu lange hatten die Finnen geglaubt, sie würden es als Marktführer noch schaffen.

Microsoft hat gegenüber den Finnen wenigstens zwei Jahre Vorsprung. In Redmond erkannte man das Scheitern von Windows Mobile und kündigte bereits vor einem Jahr ein völlig neues System an, das im Herbst als Windows Phone 7 auf den Markt kam. Noch steckt es in den Kinderschuhen, noch fehlt vor allem ein Entwurf für den Unternehmenseinsatz. Das Design ist jedoch erfrischend neu, die Architektur solide. Wer ein Windows Phone 7 genutzt hat, findet ein iPhone geradezu altbacken.

Nokia wird es in naher Zukunft schwer haben. Die Symbian-Entwickler sind frustriert, ein Überlaufen zum bisherigen Feind scheint für viele undenkbar. Entwickler, die Symbian verlassen, denken noch am ehesten über Android nach. Das ist eher eine Befindlichkeit als eine Kritik an Microsofts Entwicklungswerkzeugen, denen eine hohe Qualität zugesprochen wird.

Wie aber soll Nokia die weiter angebotenen Symbian-Smartphones anpreisen? Es wird noch wenigstens zwei Jahre dauern, bis das Angebot weitgehend auf Windows Phone 7 umgestellt sein wird. Symbian ist derweil auf dem Weg nach unten, zu den preisgünstigeren Modellen. Und MeeGo, Kind des vor einem Jahr angekündigten Zusammenschlusses von Nokias Maemo und Intels Moblin? Das ist endgültig zu einem Bastelprojekt abgestiegen, bevor nur das erste Modell erschienen ist.

Nokias CEO Stephen Elop versucht den Tanker umzudrehen. Ohne einen radikalen Schnitt ist der Wiedereinstieg in den amerikanischen Markt nicht zu schaffen. Microsoft und Nokia ergänzen sich dabei prächtig. Die Unternehmen sind komplementär und haben nur wenig Überschneidungen. Das Risiko ist allerdings ungleich verteilt. Für Microsoft steht nicht viel auf dem Spiel, Nokia dagegen könnte bei einem Scheitern wieder bei Gummistiefeln landen.

Die europäische Mobilfunkindustrie ist der eindeutige Verlierer. Vor gerade einmal fünf Jahren hatte sie eine Führungsrolle. Heute wird die Software im Westen Amerikas hergestellt, die Hardware kommt überwiegend aus Asien. Europa ist nur noch der Absatzmarkt.

Der Autor ist Korrespondent des Heise Zeitschriften Verlages und arbeitet als Autor, Consultant und Systemarchitekt. (nti)