Monitoring: die vierte Macht im Staate?

Mit der Akzeptanz von flächendeckenden Überwachungssystemen in Großstädten müsse ein neues Berufsfeld für öffentliche Prüfer entstehen, die systematisch kontrollieren, was in den Überwachungszentralen vor sich geht, meinte Richard de Mulder.

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Von
  • Detlef Borchers

Der Widerstand gegen die Video-Überwachung und andere Maßnahmen sei charakteristisch für den Anpassungsprozess an eine neue Technologie, doch insgesamt nichts anderes als der Ausdruck, dass mit der Zunahme von Überwachungsmaßnahmen neue Normen kommen. Im Zuge dieser Umwertung entstehe neben Judikative, Exekutive und Legislative nach und nach eine vierte Macht in den westlichen Staaten, das Monitoring. Diese Auffasung vertrat der niederländische Forscher Richard de Mulder auf dem 1. Kongress über Legal, Security and Privacy Issues in IT in Hamburg. De Mulder, Professor für Informatik und Recht an der Erasmus-Universität in Rotterdam, plädierte in seinem Vortrag dafür, das Monitoring als vierte Macht von der positiven Seite zu begreifen, als System, das die Überwacher überwachen kann. Mit der Akzeptanz von flächendeckenden Überwachungssystemen in Großstädten müsse ein neues Berufsfeld für öffentliche, eigens geschulte Prüfer entstehen, die systematisch kontrollieren, was in den Überwachungszentralen vor sich geht.

Mit seiner Auffasung von der Veränderung des Sicherheitsbegriffes stand Mulder auf dem Kongress nicht alleine da. Zuvor hatte Yves Poullet, Jura-Professor an der Universität Namur, skizziert, dass die technischen Veränderungen von einer neuen Generation an Datenschutzgesetzen und Maßnahmen begleitet werden müssen. Wenn RFID-Tags allgegenwärtig sind und Speicherplatz im Übermaß vorhanden ist, das gesamte Leben eines Menschen aufzuzeichnen, dann müsse das informationelle Selbstbestimmungsrecht neu gedacht werden. Das Recht, anonym bleiben zu können oder ein Recht darauf, nicht exzessiv kontrolliert zu werden, müssten auf der EU-Ebene neu verfasst werden, um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten.

Interessant war in diesem Zusammenhang auch ein Vortrag, den Bernd Stahl von der Universität Montfort hielt. Stahl präsentierte die Ergebnisse einer Untersuchung, die sich mit den Mitteln der Diskursanalyse damit beschäftigte, was Microsoft zum Thema "Trusted Computing" und "Windows Vista" über Privatsphäre und Sicherheit auf seinen Webseiten kommuniziert. Indem moralische Fragen fortlaufend auf technische Fragen reduziert, indem Begriffe wie "trustworthy" nur technisch definiert würden, verbreite Microsoft Ideologie statt Aufklärung. Wenn Windows Vista als das privateste Betriebssystem aller Zeiten mit dem besten Kinder- und Familienschutz beschrieben werde, so stecke darin auch die ideologische Aussage, dass die Privatsphäre nicht in Gefahr sei.

Der nächste Kongress der Juristen und Forscher, die mit der ersten Veranstaltung die "International Association of Internet Lawyers" aus dem Taufbecken hoben, soll im Frühjahr 2007 an der Universität Shanghai stattfinden.

Siehe dazu auch:

(Detlef Borchers) / (jk)