Streit im Berliner Abgeordnetenhaus über Cybermobbing

Die Opposition gab dem rot-roten Senat eine Mitverantwortung an eskalierendem Mobbing. In Berlin seien weder Schüler noch Lehrer oder Eltern genügend aufgeklärt und vorbereitet, um solchen Phänomenen vorzubeugen.

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Von
  • dpa

Beleidigen, drohen, pöbeln, Amokläufe ankündigen – die Auswüchse auf der Website isharegossip.com haben am Donnerstag das Berliner Abgeordnetenhaus aufgeschreckt. Einmütig verurteilten alle Fraktionen in einer Debatte das sogenannte Cybermobbing. Redner von Regierung wie Opposition forderten das Abschalten solcher Seiten und die konsequente Verfolgung von Straftaten, wenn solches Mobbing wie jüngst in Berlin in Gewalt eskaliere. Die Opposition gab dem rot-roten Senat jedoch eine Mitverantwortung an solchen Auswüchsen. In Berlin seien weder Schüler noch Lehrer oder Eltern genügend aufgeklärt und vorbereitet, um solchen Phänomenen vorzubeugen, hieß es.

Im Mittelpunkt der Debatte stand der brutale Überfall auf einen 17-Jährigen, der in einem Mobbingfall um seine Freundin schlichten wollte. Dabei wurde er von einer Gruppe von 20 Jugendlichen krankenhausreif geschlagen.

Der CDU-Schulexperte Sascha Steuer warf dem Senat und speziell Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) Inkompetenz im Umgang mit Internetmobbing vor. So habe Zöllner offenbar zunächst nicht gewusst, dass Internetseiten in Deutschland nicht zentral gesperrt werden können. Unerträglich sei obendrein, dass diese Seite heute noch auf Berliner Schulcomputern abzurufen sei, kritisierte Steuer. Jahrelang habe Zöllner Mobbingvorfälle ignoriert, jetzt entfalte er mit der Einberufung eines runden Tisches einen hektischen Aktionismus.

Steuer und seine FDP-Kollegin Mieke Senftleben forderten für Berlin einen Jugendmedienschutzbeauftragten, wie er in Brandenburg oder Rheinland-Pfalz schon existiere. Dieser könne auf gefährliche Entwicklungen schneller reagieren. Senftleben erinnerte an das Konzept der FDP von 2010, das die Vermittlung einer integrierten Medienkompetenz gefordert habe. Dabei gehe es nicht nur um technische Fertigkeiten, sondern um den eigenen verantwortungsvollen Umgang mit den Möglichkeiten des Internets, betonte die Liberale. Wie immer habe die rot-rote Koalition dieses Konzept abgelehnt.

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) verwahrte sich deutlich gegen teils auch persönliche Angriffe gegen ihn. Steuers Behauptung, die indizierte Mobbingseite sei noch von Berliner Schulcomputern abzurufen, nannte er "eine falsche bösartige Unterstellung". Berlin bilde zudem seit Jahren systematisch die Medienkompetenz von Schülern und Lehrern auf. So habe das Land schon 2005 einen e-education-Masterplan aufgestellt und seitdem tausende Lehrer weitergebildet, betonte der Senator.

Die ironische Bemerkung Steuers, Zöllner stelle seine neuen multimedialen Fertigkeiten dadurch unter Beweis, dass er zum ersten Mal mit einem Tabletcomputer im Plenum auftauche, wies der Senator als subtile Spitze zurück. Der junge CDU-Abgeordnete solle sich nicht täuschen: Er habe zwar weißes Haar, so Zöllner, aber schon Computerprogramme geschrieben, als Steuer zehn Jahre alt gewesen sei.

Von der Grünen-Abgeordneten Clara Hermann fühlte sich der Bildungssenator gar persönlich verunglimpft. Hermann hatte Zöllners Handeln in den vergangenen Tagen als "sozialdemokratischen Affenzirkus" bezeichnet. An Hermanns Adresse sagte der SPD-Politiker: "Ich fühle mich gemobbt." Junge Menschen müssten begreifen, dass psychische Verletzungen genauso schlimm seien wie physische. Wenn man im Umgang miteinander noch nicht einmal in der Politik ein Mindestmaß an Wertschätzung und Respekt aufbringe, werde man das auch kaum an Schüler vermitteln können. (anw)