Studie: Armes Breitband-Deutschland

Die Studie Deutschland Online 4 kommt zu dem Schluss, dass wir bei der Verbreitung von Breitbandanschlüssen und bei der Umsetzung von Web-2.0-Geschäftsmodellen international im Hintertreffen sind - es gibt aber noch Hoffnung.

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Von
  • Axel Kossel

Die Deutsche Telekom hat heute in Berlin die Studie "Deutschland Online 4" vorgestellt. Dem Ergebnis nach liegen die wichtigsten aktuellen Entwicklungen bei Triple Play, Internet-TV und Social Web. Außerdem verändere sich der Wettbewerb durch zunehmende Beteiligung branchenfremder Konkurrenten. Erstellt wurde die Studie von Professor Dr. Bernd W. Wirtz von der Deutschen Hochschule für Verwaltung in Speyer zusammen mit der Telekom und Hubert Burda Media. Dazu wurden 115 Experten und 6347 Konsumenten befragt.

Im Wettbewerb von Telekommunikationsanbietern, Internet-Unternehmen, Medienhäusern und Kabelnetzbetreibern haben die Internet-Unternehmen nach Meinung der Experten die besten Karten, während die Kabelnetzbetreiber von der schwächsten Ausgangsposition starten müssen. Im internationalen Wettbewerb mit innovativen Entwicklungen auf Basis der Breitbandtechnik drohe Deutschland allerdings den Anschluss an die USA und an Asien zu verlieren, stellen die befragten Experten fest. Der Rückstand sei auch bis 2015 kaum aufholbar.

Ganz so düster sieht Walter Raizner vom Telekom-Vorstand die Lage nicht. Deutschland hole mit dem höchsten Tempo in Europa auf; das Wachstum der Breitbandanschlüsse betrage in diesem Jahr 40 bis 50 Prozent. Deutschland sei nicht schlecht bei Innovationen, sondern bei deren Umsetzung zu fertigen Produkten. Eine Diskussion wie um die Regulierungsfreistellung von VDSL könne es nur in Deutschland geben. Anderswo investierten entweder Unternehmen in nicht regulierten Märkten oder der Staat finanziere die Infrastruktur.

In zwei bis drei Jahren, so Raizner, wird es in Deutschland flächendeckend ADSL2+ geben, über das man ein attraktives IPTV-Angebot machen kann. Dies liegt im Trend, wie die Studie belegt: Der Anteil, der Befragten, die Fernsehen von ihrem Telekommunikationsanbieter beziehen wollen, lag mit 47,7 Prozent sogar etwas höher als die derjenigen, die klassische Fernseanbieter (ohne TV-Kabel) bevorzugen.

Die Zahl der Breitband-Anschlüsse werde vermutlich auf 21 Millionen Anschlüsse im Jahr 2010 und auf über 27 Millionen im Jahr 2015 steigen. In neun Jahren würden so fast 70 Prozent aller deutschen Haushalte einen Breitbandanschluss haben. Dabei werde der Anteil der ADSL-Anschlüsse zurückgehen zugunsten von VDSL, TV-Kabel und WiMAX, heißt es weiter in der Studie. 2005 verfügten 76 Prozent der Breitbandnutzer über 1 MBit/s Bandbreite. Dieser Anteil werde sich zum Jahr 2010 auf nur noch 34 Prozent reduzieren, während dann 40 Prozent der Anschlüsse eine Bandbreite von 6 bis weit über 50 MBit/s aufweisen werden, lautet die Prognose.

Als einen weiteren wichtigen Trend erkennt die Studie das Social Web. Demnach wird 2010 die Nutzung von User-generated Content sogar höher liegen als von Inhalten, die Medienunternehmen liefern. Wirtz sieht einen starken Trend darin, dass sich Offline-Communities ins Social Web verlagern. Insbesondere bei jungen Menschen sei dieser Trend zu beobachten. Hier müssten vor allem noch die Rahmenbedingungen der Bildungssystem angepasst werden.

Besonders erfolgreiche Bereiche des Social Web macht die Studie bei Plattformen für den Handel zwischen Endkunden, Online-Communities und Dateiaustauschdiensten. Bei der Finanzierung wird weiter die Werbung die Hauptrolle spielen; nur jeder Zehnte der Befragten glaubt, dass sich Social-Web-Dienste über Nutzungsgebühren finanzieren lassen.

Lebhaft wurde die Frage diskutiert, ob erfolgreiche Diensteanbieter nicht eine Datenmaut an die Telekommunikationsunternehmen bezahlen sollen. Sowohl Prof. Wirtz wie auch Raizner halten diese Idee nicht für abwegig. Die Telekom will aber vorerst nur beobachten, wie die Diskussion über eine solche Datenmaut in anderen Ländern verläuft.

Der ebenfalls in Berlin anwesende Nord-Europa-Chef von Google, Philipp Schindler, vertrat jedoch eine ganz andere Meinung. Er wehrte sich gegen die Ansicht, Google sei Nutznießer der Breitbandinfrastruktur. Das seien die Anwender, die dafür auch bezahlen: "Bedenkt man alle Anschlussgebühren, sind wir weit von einer Null-Euro-Flatrate entfernt. Hier wird nichts verschenkt." (ad)