FSW2011: Auf der Suche nach dem datenschutzfreundlichen Netz

Etwa 150 Experten aus aller Welt kamen zu der dreitägigen Konferenz "Federated Social Web Europe" in die Berliner Heinrich-Böll-Stiftung, um über Alternativen für ein datenschutzfreundlicheres und dezentraleres Internet zu diskutieren.

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Von
  • Falk Lüke

Etwa 150 Experten aus aller Welt kamen zu der dreitägigen Konferenz Federated Social Web Europe in die Berliner Heinrich-Böll-Stiftung, um über Alternativen für ein datenschutzfreundlicheres und dezentraleres Internet zu diskutieren.

Zum Auftakt hagelte es herbe Kritik am derzeitigen Datenschutz im Internet. In einer Liveschaltung gab der Web-Erfinder Tim Berners-Lee den Teilnehmern die Themen Dezentralisierung und Datenschutz als maßgeblich für die weitere Entwicklung des Netzes mit auf den Weg.

Anhand von Forschungsergebnissen zeigte die US-Forscherin Aleecia McDonald, wie schlecht Nutzer tatsächlich wissen, was mit Daten im Web passiert. So glaubten nur 39 Prozent, dass E-Mail-Provider zum Beispiel Inhalte von E-Mails auswerten könnten, um passende Werbeanzeigen zu generieren. 16 Prozent waren sicher, dass dies verboten sei, was McDonald mit einer falschen Analogie durch die Befragten erklärte: Die Briefpost sei in den USA sehr stark geschützt. Auch die in den neuen Browserversionen umgesetzten "Do Not Track"-Knöpfe, die sich gegen die Profilerstellung insbesondere durch Werbefirmen richteten, würden nicht verstanden. So glaubten fast zwei Drittel der Befragten, dass "Do Not Track" zum Beispiel Webseiten am Speichern der IP-Adresse hindern würde, und selbst bei der fiktiven Kontrollfrage, ob der Button Webseiten am Auslesen lokaler Dateien hindern würde, kam heraus, dass 10 Prozent an die Wirkung des Mechanismus glaubten. "Do Not Track" sei nur ein erster kleiner Schritt, denn beispielsweise Facebook würde mit seinem "Like"-Button "Do Not Track" schlicht ignorieren – Facebook behaupte, man sei ein integraler Bestandteil der Seiten, welche die "Like"-Funktion einbinden und nicht etwa eine Drittpartei, kritisierte McDonald. Sie stellte zudem fest, dass den meisten Verbrauchern in den USA allerdings fast genau so wenig klar sei, was offline an Daten erhoben und genutzt würde.

Den aktuellen datenschutzrelevanten US-Gesetzesinitiativen wie der vom Demokraten John Kerry und dem Republikaner John McCain eingebrachten Commercial Privacy Bill of Rights Act räumte sie wenig Chancen ein. Diese grundsätzlich positiven Ansätze würden so verwässert, dass am Ende nicht mehr viel von ihnen zu erwarten sei. Dass die Nutzer nicht verstünden, was im Internet passiere, dem pflichtete Ronald Leenes bei, Professor am Tilburger Institut für Recht und Technologie (TILT). Er machte am Beispiel Facebook klar: Die Nutzer könnten mit dem Konzept "Jedermann" als Publikum nicht viel anfangen. Das mit EU-Forschungsmitteln geförderte Netzwerk "Clique" hat als Antwort auf dieses Problem die Kontakte mit unterschiedlichen Zugänglichkeitsstufen ausgestattet, ist allerdings auch in seiner dezentralisierten Version "D-Clique" vorerst keine Massenanwendung geworden.

Der ägyptische Aktivist Amr Gharbeia wies auf die Nachteile zentraler Infrastrukturen wie Twitter oder Facebook hin. Er wünschte sich dezentrale Infrastrukturen, gab aber zu, noch sei dies ein Traum. "Die Lösung hierfür muss aus der Open-Source-Szene kommen", sagte Gharbeia. Letztendlich sei klar: Regime wie das des im Januar gestürzten ägyptischen Präsidenten Mubarak würden in Zukunft vermutlich nicht nur – wie derzeit in Syrien – die Internetanbindung kappen, sondern auch die Stromversorgung.

Dass dezentrale Lösungen auch immer auf eine entsprechende Infrastruktur zurückgreifen müssen, machte Amelia Andersdotter von der schwedischen Piratenpartei klar. Sie kritisierte die Internetprovider stark, die oft nicht nur schlechte Anbindungen zu überhöhten Preisen böten, sondern auch noch in die Netzneutralität eingreifen würden. Vertreter von Vodafone und Telecom Italia widersprachen dem vehement, fanden mit ihren Einwänden jedoch wenig Zustimmung. Der Mitgründer des dezentralen Social-Networking-Projekts Diaspora, Ilya Zhitomirsky, betonte, dass es in Zukunft wieder relevanter würde, Daten und Anwendungen unter eigener Regie nutzen und speichern zu können.

Die Fachkonferenz des Webstandard-Konsortiums W3C und des EU-Forschungsprojekts PrimeLife findet noch bis 5. Juni statt. Nachdem sich am Freitag Forscher und Praktiker über die soziale Dimension ausgetauscht hatten, soll der Fokus am heutigen Samstag auf der technischen Komponente liegen: Standards, Protokolle und die Umsetzung in Software für normale Menschen stehen auf der Tagesordnung. (se)