Wichtiges Gezwitscher

Welche Twitter-Nutzer haben die Macht, Informationen schnell und weitläufig zu verbreiten? Ein Forschungsprojekt am MIT geht dieser Frage mit Hilfe der Netzwerkanalyse auf den Grund.

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Von
  • Erica Naone

Welche Twitter-Nutzer haben die Macht, Informationen schnell und weitläufig zu verbreiten? Ein Forschungsprojekt am MIT geht dieser Frage mit Hilfe der Netzwerkanalyse auf den Grund.

Manchmal ist es ganz einfach, vorherzusagen, welche Botschaften sich bei Twitter in Windeseile verbreiten werden: Da muss man nur den US-Abgeordneten Anthony Weiner fragen, der, nachdem er unschickliche Fotos seiner Person aus Versehen an sein Netzwerk geschickt hatte, nun kurz vor dem Rücktritt steht.

Forscher am Laboratory for Information and Decision Systems (LIDS) des MIT testen nun neue Algorithmen, mit deren Hilfe sich herausfinden lässt, welche Nutzer des Kurznachrichtendienst das Zeug haben, Informationen besonders schnell und weitläufig zu verbreiten – und um welche Themen es dabei geht.

Informationen verteilen sich normalerweise zwischen Twitter-Nutzern über sogenannte Retweets, bei denen eine Nachricht wiederholt wird. Um einflussreiche User zu finden, deren Posts mit hoher Wahrscheinlichkeit weitergereicht werden, untersuchten die Forscher verschiedene Themenbereiche per Netzwerkanalyse. Die Identifizierung einflussreicher Twitter-Nutzer könnte dann beispielsweise Werbetreibenden helfen, Informationen über ihre Produkte schneller zu verbreiten.

Die Bestimmung des Einflusses eines Twitter-Nutzers ist allerdings nicht besonders einfach: Es reicht nicht, die Anzahl der Follower (Freunde) zu messen. Wichtiger ist die Aufmerksamkeit, die einzelne Posts erzielen und wie stark diese diskutiert werden – und die Frage, ob solche Konversationen dann auch andere Nutzergruppen erreichen.

Das LIDS-Team begann zunächst damit, Retweet-Netzwerke bei Twitter nachzuzeichnen. Dazu gruppierten sie diese nach Themen und schauten sich an, wie sie sich verbreiteten. Dabei wurden nur Nutzer als Teil eines Netzwerkes begriffen, wenn sie Botschaften voneinander weitergaben – einfach nur einer Person zu folgen, reichte nicht.

Nachdem dieses Netzwerk kartografiert war, ergab sich ein klares Muster, sagt Tauhid Zaman, Doktorand am LIDS, der an dem Projekt beteiligt war. Bei jedem Thema fanden sich "Superstars" – Twitter-Nutzer, die gut vernetzt waren und deren Posts sich weitläufig verbreiteten. Der Einfluss dieser Personen war deutlich größer als der anderer Mitglieder ihres Netzwerkes.

Die Forscher testeten verschiedene Variablen. Neben der Anzahl der Verbindungen, die ein Nutzer unterhielt, war dies auch die Nähe zwischen einzelnen Mitgliedern im Netzwerk. Dabei kristallisierte sich ein Wert heraus, den das Team "Rumor Centrality", Gerüchtezentralität, nannten.

Zaman zufolge ist die "Rumor Centrality" besonders wertvoll, weil sie sich das gesamte Netzwerk ansieht, nicht nur die Verbindungen der Nutzer in unmittelbarer Nähe. Beispielsweise könnte eine Person zwar viele Follower haben, diese Follower aber selbst nicht gut vernetzt sein. Eine Person mit weniger, dafür besser vernetzten Followern hat mehr Möglichkeiten und damit auch eine höhere "Rumor Centrality"-Punktzahl.

Nachdem die LIDS-Forscher ihre "Superstars" entdeckt hatten, bauten die Forscher aus dem "Rumor Centrality"-Prinzip eine experimentelle Suchmaschine. Der Name: Trumor. Nutzer geben hier zunächst ein Thema vor und werden dann zu Posts geleitet, die in nächster Zeit populär werden könnten. Das System kann außerdem bedeutende Nutzer für bestimmte Themenbereiche ermitteln, was laut Zaman zufolge bereits erfolgreich funktioniert.

Trumor ist nur eines von mehreren Forschungsprojekten dieser Art. Abhik Das von der University of Texas in Austin hat Studien über den Einfluss von Personen in Handy-Netzen durchgeführt und dabei herausgefunden, dass die Tiefe der Netzwerkstruktur ein wichtiger Faktor ist. Allerdings verändere sich der Einfluss einzelner Personen mit der Zeit und ein gutes System müsse das auch einberechnen. Zaman sieht das ähnlich, weswegen Trumor nun bald eine zeitliche Suchachse erhalten soll. (bsc)