Lobby-Kritik an Brüssel und Berlin

Gleich mehrere Politiker der EU-Kommission wurden am heutigen Mittwoch mit dem "Worst EU Lobby Award" bedacht. Aber auch in Deutschland gibt es problematische Verflechtungen zwischen öffentlichem Amt und der Wirtschaft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Nach der guten Resonanz zur Premiere sind heute in Brüssel zum zweiten Mal die Worst EU Lobby Awards verliehen worden. Sieger wurde der Zweitplazierte des vergangenen Jahres, die Firma ExxonMobile. Ulrich Müller von Lobbycontrol begründete die Negativ-Auszeichnung damit, dass ExxonMobil die Finanzierung von Klima-Skeptikern trotz heftiger Kritik aus den USA und Europa fortgesetzt habe. "Durch die künstlich angefeuerte Diskussion über die menschlich verschuldete Klimaerwärmung versucht ExxonMobil, die politischen Entscheidungen zur Reduzierung von CO2-Emmissionen zu blockieren." Auf den zweiten Platz kam die PR-Agentur Weber Shandwick wegen des Aufbaus einer "Tarnorganisation" in der Krebshilfe für den Pharmakonzern Roche. Die Verquickung war durch einen Bericht des Guardian aufgedeckt worden. Auf dem dritten Platz folgt das European Chemical Industry Council für sein Lobbying gegen das geplante Chemikaliengesetz REACH.

Vermutete Manipulationen bei den Verhandlungen über das künftige Patentsystem führten dazu, dass die EU-Kommission für einen Negativpreis nominiert worden war. Sie gewann ihn prompt in der Kategorie "Worst Privileged Access". Zweiter wurde EU-Handelskommissar Peter Mandelson mit seinen Verbindungen zum Europäischen Dienstleistungsforum, über das die Strom-, Gas- und Wasserversorger ihre Lobbyarbeit betreiben. Den dritten Platz belegte Industriekommissar Günter Verheugen für die von ihm zusammengestellten Expertengruppen, die von den Beobachtern von LobbyControl und Spinwatch als extrem unausgewogen bezeichnet wurden.

Verflechtungen von Bundespolitikern und Lobbyarbeit gingen in diesem Jahr leer aus. Dabei gibt es auch in Deutschland problematische Konstellationen. In einer Presseerklärung fordert der deutsche Linux-Verband Politiker auf, sich nicht beim Firmen-Sponsoring zu engagieren. Anlass für die Erklärung des Berliner Verbandes ist die Schirmherrschaft von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) beim Microsoft-Wettbewerb "Die Idee". Für den Linux-Verband ist dieser Wettbewerb eindeutig gegen Open-Source-Software gerichtet. "Wir finden es bedenklich, wenn sich politische Mandatsträger für Werbezwecke instrumentalisieren lassen", wird Elmar Geese, der 1. Vorsitzende des Linux-Verbandes in der Erklärung zitiert. Noch einen Schritt weiter geht ein Verbandsmitglied, die Göttinger Firma SerNet. Sie ist eine der größten deutschen Open-Source-Firmen und fordert die Justizministerin zum Rücktritt von der Schirmherrschaft auf. (Detlef Borchers) / (pmz)