Conlife: "Wer die Standards setzt, beherrscht auch den Markt"

Auf einem Kongress in Köln berät die IT-Branche darüber, wie die Herausforderungen der Heimautomation am besten zu meistern sind.

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Von
  • Torsten Kleinz

Der Markt der Heimautomation lockt mit Milliardengewinnen, die Energiewende verlangt die Umwandlung des Stromnetzes in ein "smart grid". Wie diese Herausforderungen am besten zu meistern sind, ist Thema des Kongress conlife in Köln. Während RWE mit seiner Plattform Smarthome massiv um Kunden wirbt, experimentiert die Deutsche Telekom zum Beispiel in der T-City Friedrichshafen, wie sie Energieversorgung und Heimautomation vernetzen kann.

Hans-Joachim Otto, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, forderte, die deutsche Industrie solle sich koordinieren. Es seien gemeinsame Standards nötig, die eine vernünftige Verständigung unter den Geräten ermöglichten. Dies sei elementar für den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Industrie im Zukunftsmarkt der Heimautomation. Die europäische Industrie habe mit Standards wie GSM Maßstäbe gesetzt. Eine solche Gelegenheit biete sich nun wieder.

2010 seien mit vernetzten Geräten 2 Milliarden Euro umgesetzt worden, erklärte Otto. Bis 2025 habe die Heimautomation ein Marktvolumen von 25 Milliarden Euro – internetfähige Fernsehgeräte nicht mitgerechnet. Die Hälfte der Wertschöpfung des Marktes könne deutschen Unternehmen zugute kommen; dafür müsse aber konsequent in den Markt der Heimautomation eingestiegen werden, um die Geräte massentauglich zu machen. Technische Systeme müssten so gestaltet werden, dass sie den individuellen Bedürfnissen der Benutzer entsprechen, so Otto. Der Staatssekretär lobte Industrie-Initiativen wie Connected Living, doch noch seien die Möglichkeiten der Heimautomation selbst in Architektur- und Planungsbüros zu wenig bekannt.

Vodafone-Deutschlandchef Friedrich Joussen sieht die Industrie auf einem guten Wege. So habe sich Vodafone ganz auf den Übertragungsstandard Multimedia-DLNA eingestellt. Die bei den Kunden installierten Router würden immer öfter zu Mediaservern. "Wir sind in Europa Weltmarktführer in der Telekommunikation", sagte Joussen und warnte vor einem staatlichen Eingreifen. Regulation würde in erster Linie nicht dem Kundenschutz dienen, sondern sei Industriepolitik. Von der Politik erwarte er aber einen Masterplan. "Kein Mensch kann heute sagen, wie der Festnetzmarkt in fünf oder zehn Jahren aussehen wird. Für Investitionen ist das natürlich tödlich", erklärte Joussen. "Jeden Bauernhof" mit Glasfaserkabeln ans Internet anzubinden sei illusorisch, da dies mehr als 100 Milliarden Euro kosten würde.

Google-Manager Jens Redmer sagte, seinem Unternehmen gehe es nicht darum, eigene Geräte zu entwickeln. "Wir haben keinen Google-Smartmeter, keine Google-Garagensteuerung, das überlassen wir den Unternehmen, die sich damit auskennen." Bereits im Mai hatte Google seine Plattform android@home vorgestellt, die jedes Elektrogerät einbinden können soll. Mit einem offenen Übertragunsstandard tritt Google damit in eine Lücke, die die deutsche Industrie offen gelassen hat. Sie habe im vergangenen Jahrzehnt viele inkompatible und oft proprietäre Standards geschaffen, die die Weiterentwicklung des Markts behinderten, da der Kunde nie sicher sein konnte, dass er sein System auch in Zukunft ausbauen könnte, Preisvorteile durch Massenproduktion blieben ungenutzt.

Zwar zeigten sich alle Konferenz-Teilnehmer einsichtig, dass sich die Branche auf einen Standard einigen müsse – welcher dies jedoch sein wird, ist nach wie vor unklar. Zumindest vorübergehend werde es eine geschlossen Plattform geben, erklärte Telekom-Manager Ingo Hofacker. Internationale Konzerne könnten zudem nicht einfach in den deutschen Markt eindringen, da die technischen Gegebenheiten in Deutschland sehr spezifisch seien. So hätten die Multimedia-Plattformen wie die von Apple auch das Live-TV-Programm ausgespart, das in Deutschland ausgestrahlt wird.

Reiner Wichert von Fraunhofer IGD sieht den Google-Vorstoß ebenfalls nicht als Gefahr für die europäischen Unternehmen, da die Google-Initiative nur sehr rudimentäre Elemente umfasse. Im Bereich "ambient assisted living", der besonders Senioren mit Heimautomationstechniken zu einem höheren Lebensstandard verhelfen soll, habe die Industrie mit AALOA einen vielversprechenden Ansatz gefunden. (anw)