Brüssel will die Befugnisse von Europol deutlich ausdehnen

Nach dem EU-Rat hat sich die EU-Kommission dafür ausgesprochen, die Europolizisten künftig für "internationale Schwerkriminalität" inklusive Cybercrime einzusetzen und die Rechtsbasis der Behörde zu ändern.

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Die EU-Kommission hat sich dafür ausgesprochen, den Tätigkeitsbereich von Europol deutlich zu erweitern und die Strafverfolgungsbehörde auf eine "flexiblere Rechtsgrundlage" zu stellen. Statt dem bisherigen, von allen nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten regelmäßig zu bestätigenden Europol-Übereinkommen soll ein einfacher Beschluss des EU-Rates das künftige juristische Fundament des in Den Haag beheimateten Europäischen Polizeiamtes bilden. Zugleich sollen sich die Europolizisten künftig nicht mehr nur auf Ermittlungen im Bereich des organisierten Verbrechens konzentrieren, sondern auch bei grenzüberschreitenden schweren Straftaten analytisch tätig werden sowie unter anderem die Internet-Überwachung forcieren.

Im Rat waren entsprechende Vorschläge bereits Anfang des Jahres ausgearbeitet worden. Sie sahen auch vor, einen Informationsaustausch zwischen Europol und Sicherheitsbehörden in Ländern ohne ein mit der EU vergleichbares Datenschutzniveau zu gestatten. "Es hat sich als notwendig erwiesen, Organisation und Auftrag von Europol den neuen Herausforderungen, die sich durch Terrorismus und internationale Schwerkriminalität stellen, anzupassen", begründet EU-Justizkommissar Franco Frattini nun seinen Gesetzesvorschlag. Das Polizeiamt müsse "einen modernen Rechtsrahmen erhalten, der mit den sich verändernden Gegebenheiten Schritt halten kann."

Die Gründung von Europol geht auf den Vertrag von Maastricht 1992 zurück. Die Einrichtung war die erste Organisation im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit in Europa. Zum Europol-Übereinkommen sind inzwischen drei Änderungsprotokolle vereinbart worden, mit denen der Aufgabenbereich von Europol angepasst werden sollte. Diese Protokolle sind allerdings zum Ärger Brüssels immer noch nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden. Der Kommissionsvorschlag sieht daher nun vor, Europol in eine "EU-Agentur" umzuwandeln und die Änderungsprotokolle bei diesem Schritt inhaltlich zu übernehmen.

Mit der Ausdehnung der Tätigkeitsfelder soll gleichzeitig nicht nur die Bekämpfung des Terrorismus erleichtert werden, sondern auch das Vorgehen gegen Menschenhandel, Drogenhandel, Betrug und Cyberkriminalität. Europol soll die Mitgliedstaaten ferner bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bei Großveranstaltungen wie internationalen Fußballspielen unterstützen können. Der Gesetzesentwurf enthält laut Frattini auch "inhaltliche Verbesserungen", die auf effizienteres Arbeiten sowohl bei der Strafverfolgung als auch im Bereich der Prävention abzielen.

Darüber hinaus soll Europol die Möglichkeit erhalten, zusätzlich zu seinem bestehenden Informationssystem und den Arbeitsdateien zu Analysezwecken neue Datenverarbeitungssysteme einzuführen. Denkbar wäre beispielsweise in bestimmten Fällen "die Errichtung von Datenbanken über Internetseiten, von denen eine Gefährdung ausgeht", heißt es bei der Kommission. Ein "Optionspapier" des EU-Rates über die Zukunft von Europol vom Mai hatte aber auch schon einmal die Einrichtung einer Art Anti-Terror-Datei nach deutschem Vorbild sowie einer speziellen Datenbank zu Kinderpornographie ins Spiel gebracht. Generell soll die Verarbeitung der bei Europol gespeicherten Daten laut Kommission "verbessert" werden bei "gleichzeitiger Gewährleistung eines weitreichenden Schutzes der personenbezogenen Daten".

Die allgemeine Struktur des Amts bleibe weitgehend unverändert, versichert die Brüsseler Behörde weiter. Die Finanzierung von Europol aus dem EU-Haushalt sowie die Anwendung des Beamtenstatuts auf das Europol-Personal sei in den Bestimmungen des EU-Vertrags festgelegt. Im Finanzrahmen 2007 bis 2013 seien ab 2010 bereits Mittel für den Europol-Haushalt vorgesehen, allein fürs erste Jahr 82 Millionen Euro. Durch die geplanten Änderungen werde sich die Funktionsweise des Amts nach einer gewissen Übergangszeit, die eine reibungslose Umstellung auf das neue Statut ermöglichen soll, vereinfachen. Ferner werde die Rolle des EU-Parlaments als Kontrollinstanz gestärkt, was "umfassenderen Informationen" über Vorgänge bei Europol zu verdanken sei.

Datenschützer haben das riesige Europol-Computersystem bislang immer wieder als eine Art "Datenwaschanlage" kritisiert. Strafverfolgungsbehörden können demnach im Zweifel umfangreichere personenbezogene Dossiers in Den Haag "parken", als es ihnen im nationalen Bereich erlaubt ist. Auch die Aus- und Umbaupläne für Europol haben bei zivilgesellschaftlichen Organisationen bereits die Alarmglocken läuten lassen. Der Vorschlag zur Stärkung der Aufsichtsfunktion des Parlamentes etwa sei praktisch wirkungslos. Tony Bunyan von der britischen Bürgerrechtsvereinigung Statewatch hält die damit einhergehende Kontrolle für "nicht existent". Brüssel steht seiner Ansicht nach allein mit der Meinung da, dass das Rahmenwerk für die Überprüfbarkeit der Behörde "ausreichend" sei. (Stefan Krempl) / (jk)