WSIS: USA für einen Gipfel ohne Folgen

Vor der Vorbereitungskonferenz zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft wurden die Fronten unter den Diplomaten nochmals abgesteckt. Eine US-Vertreterin warnte davor, technische Fragen konkret in die Gipfeldokumente zu schreiben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Eine gemeinsame Antwort auf die Zukunft der Netzverwaltung hat gestern in Genf der pakistanische Botschafter Masood Khan gefordert. Khan muss bei der Mitte des Monats in Genf startenden letzten Vorbereitungskonferenz zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS Prepcom) den internationalen Kompromiss zur Struktur der künftigen Aufsicht über die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und zu einem möglichen neuen Forum für internationale Netzpolitik schmieden. "Ohne Ergebnis in der Frage Netzverwaltung haben wir kein zufriedenstellendes Ergebnis für den gesamten Gipfel", sagte Prepcom-Präsident Janis Karklins.

Bei dem von Karklins und Khan geleiteten dreitägigen Treffen in Genf wurden die Fronten unter den Diplomaten nochmals abgesteckt. Eine US-Vertreterin warnte davor, technische Fragen, etwa die Verwaltung der Rootzone, konkret in die Gipfeldokumente zu schreiben. "Das ist doch wohl etwas zu technisch für die Staatschefs", so ihre Warnung. Khan konterte: "Wir können die Fragen Rootzone und DNS jetzt nicht einfach beiseite wischen. Sie sind der Kern des ganzen Streits." Khan wies auch die US-Kritik daran zurück, dass er seine weitere Arbeit unter anderem auf den Bericht der von Kofi Annan eingesetzten Arbeitsgruppe Internet Governance (WGIG) stützen will. "Wir haben von Beginn an klar gesagt, dass der Bericht nicht Grundlage der Verhandlungen sein kann", so die US-Vertreterin. Die USA sind auch strikt gegen das im Papier vorgeschlagene globale Netzpolitik-Forum.

Mit der Blockadehaltung sind die USA allerdings inzwischen stark isoliert, sagte ein brasilianischer Delegierter. Der Hickhack um die neue Rotlicht-Adresszone .xxx sei das beste Beispiel dafür, dass ICANN nicht nur technische Entscheidungen fälle und daher mehr Einfluss der Politik notwendig sei. Mit dem vorläufigen Stopp der .xxx-Domain habe das US-Handelsministerium unter anderem auch die Bitte Brasiliens erfüllt. Von Insidern wird bereits spekuliert, dass die US-Verwaltung ICANN durch dieses Eingreifen gegenüber weiter gehenden Reformforderungen stützen wollte. Aber so leicht will sich gerade Brasilien nicht abfinden lassen: "Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das ganze System gefixt werden muss", so der brasilianische Delegierte.

Einen Gipfel ohne Folgen befürchten angesichts der Blockadehaltung der USA auch zivilgesellschaftliche Gruppen und Nichtregierungsorganisationen (NGO). Sie protestierten in einem Brief an Karklins gegen die Verwässerung der Umsetzung von Gipfelzielen. Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien schreibt dazu: "In der neuen Fassung hat man die Verpflichtung zur Umsetzung praktisch aufgegeben." Nicht nur fühlen sich die engagierten NGO-Vertreter durch die Übertragung der Nach-Gipfelarbeit auf die UN-Organisationen -- nach einer neuen UNO-Regel -- ausgeschlossen. Sie sind auch empört darüber, dass ihre ursprüngliche Gipfelerklärung und neue Papiere nicht mehr auf den offiziellen WSIS-Seiten gelistet werden.

Prepcom-Präsident Karklins sagte gegenüber heise online: "Manche Regierungen befürchten eine weitere Aufblähung des UN-Apparates um noch eine neues, schlecht finanziertes Gremium." Besser sei es, die praktische Umsetzung der Gipfelziele in die Hände bestehender Organisationen wie der International Telecommunication Union (ITU) zu legen. Diese habe im Übrigen bereits Geld dafür eingestellt. Partnerschaften mit Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaft seien dabei nicht ausgeschlossen.

In ihrer Forderung, den WSIS-Prozess nach dem Gipfel in Tunis für erledigt zu erklären, dürfte die in dieser Hinsicht entschiedene US-Vertretung mehr Unterstützung finden. Noch mehr Geld und Arbeit wollen viele Regierungen nicht investieren. Die deutsche Regierung hat auch lange gezögert, bis sie sich abgesehen vom EU-Beitrag an der Finanzierung des Informationsgesellschaftsgipfels beteiligt hat. Jetzt hat man rund 75.000 Schweizer Franken gespendet, etwa so viel wie der japanische Konzern NTT. (Monika Ermert) / (anw)