VoIP-Anbieter kritisieren Bericht zur IP-Zusammenschaltung

Die Vorschläge der Expertenrunde "IP-Zusammenschaltung" der Bundesnetzagentur zur Zukunft der Sprach- und Datennetze könnten das Ende des Geschäftsmodells der netzunabhängigen Internet-Telefonie bedeuten, befürchten VoIP-Anbieter.

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Von
  • Monika Ermert

Vorschläge der Expertenrunde "IP-Zusammenschaltung" könnten das Ende des Geschäftsmodells der netzunabhängigen Internet-Telefonie (Voice-over-IP, VoIP) bedeuten. Diese Befürchtung äußert der Geschäftsführer von Indigo Networks, Thilo Salmon. Die Netzagentur hatte am Mittwoch den bereits seit dem Sommer erwarteten Abschlussbericht einer handverlesenen Runde von Vertretern verschiedener Telekommunikationsunternehmen veröffentlicht. Darin wird dezidiert zwischen Voice over Next Generation Network (VoNGN) und VoIP unterschieden. Dass VoIP-Anbieter ihre Datenverkehre "nur" über breitbandige Internet-Verbindungen transportieren, mangels eigener Netze aber keine Kontrolle über Qualität und Sicherheit hätten, müsse bei den Terminierungsentgelten unterschieden werden, fordert der Bericht im Einklang mit Vorschlägen unter anderem von Vertretern der Deutschen Telekom.

"Für unser Unternehmen bedeutet das, dass wir zwar Terminierungsentgelte zu bezahlen haben, aber keine Entgelte für bei unseren Kunden eingehende Gespräche erhalten", erklärt Salmon. Damit schreiben wir für einen Flatrate-Kunden, der in etwa so häufig angerufen wird, wie er selbst anruft, Verlust." Salmon lehnt eine Unterscheidung zwischen Terminierungsentgelten in Abhängigkeit vom jeweiligen Netzzusammenhang strikt ab. Ärgerlich sei nicht zuletzt, dass die Vorschläge zur Diskriminierung von VoIP ein zwangsläufiges Ergebnis der "tendenziösen Besetzung der 'Expertengruppe' sei, meint Salmon. Netzunabhängige Provider waren in der Runde nicht vertreten.

Das im Abschlussbericht stark hervorgehobene Merkmal der Qualität sei vorgeschoben, bemängelt Salmon. "Wenn man von aktiven Störungen von Netzbetreibern einmal absieht, ist in heutigen Breitbandnetzen eine Sprachqualität von VoIP möglich, die nicht mehr von Festnetzen zu unterscheiden ist." Im Übrigen würde auch niemand auf die Idee kommen, bestehende Qualitätsunterschiede in "klassischen Netzen" mit unterschiedlichen Terminierungsentgelten zu differenzieren. Unterbelichtet sei schließlich im Bericht die Frage nach der Höhe der sogenannten "Kosten der effizienten Leistungserbringung" (KEL), die laut Gesetz für die Bemessung der Terminierungsentgelte herangezogen wird.

Zwar halte der Bericht völlig zu Recht fest, dass diese Kosten technikunabhängig zu erfassen seien – unterschiedliche Entgelte für IP-basierte und herkömmliche Netze wären damit nämlich nicht zulässig. "Allerdings sollte auch die Frage gestellt werden, wem welche Leistung erbracht wird." Anrufe beim Besitzer einer Prepaid-Karte etwa, die ein Kunde nur nutze, um erreichbar zu sein, gingen voll zu Lasten des Netzbetreibers des Anrufenden. Kosten für die Erreichbarkeit würden an keiner Stelle berücksichtigt und de facto würde damit das Mobilfunkunternehmen subventioniert. Immerhin hält der Bericht der Netzagentur fest, dass die Preisvorteile der IP-Technologie künftig als Grundlage für die KEL berücksichtigt werden sollten, wenn auch im Rahmen eines gleitenden Übergangs.

Das künftige Abrechnungsregime zwischen den Anbietern wird im Abschlussbericht noch ohne endgültiges Ergebnis diskutiert. Wie in anderen Fragen treffen die bisherigen Modalitäten aus der klassischen PSTN-Telefonie und aus der IP-Welt aufeinander. Die IP-Welt ist bisher nicht schlecht mit dem Peering-Abkommen gefahren, die im Wesentlichen auf dem Prinzip "bill & keep" beruhen. Datenverkehre werden dabei ohne eine Zahlung ausgetauscht.

Das allerdings, so warnte T-Com-Bereichschef Achim Berg in einer der Präsentationen der Arbeitsgruppe, funktioniere nur bei gleicher Netzgröße, symmetrischen Datenverkehren und gleichen Netzkosten in den zusammengeschalteten Netzen. Der deutsche Markt sei dafür angesichts heterogener Netzgrößen und ungleicher Netzkosten nicht reif. Berg befürchtet Wettbewerbsverzerrungen zu "Ungunsten großer Netze", beziehungsweise teurerer Technologien und damit sinkende Investitionsanreize. Zudem seien Kunden hierzulande an das aus der Telefonie gewohnte "Calling Party Pays" – und auf Netzanbieterseite "Calling Party's Network Pays" – gewöhnt. Anders als etwa in den USA zahlt hierzulande bei klassischer Telefonie grundsätzlich der Anrufer. Einigkeit in dieser Frage herrschte allerdings auch in der Arbeitsgruppe nicht.

Weder Salmon noch Frank Orlowski, Direktor Business Development beim DE-CIX sind damit einverstanden. Orlowski sagt: "Alle, deren Kerngeschäft nicht das Minutengeschäft ist, werden irgendwann auf den Aufwand der Abrechnung der entsprechenden Cents bei der Terminierung verzichten. Dann sind wie doch genau beim IP-Peering." Das DE-CIX plant abseits der IP-Zusammenschaltungspläne der Netzagentur einen Austauschpunkt für VoIP. Darüber sollen alle VoIP-Anbieter Gesprächsminuten vom klassischen TDM-Netz komplett aufs Internet holen. Laut Orlowski startet im kommenden Jahr die Pilotphase. Gerne, so Orlowski, werde man der Netzagentur diesen Weg zur Zusammenschaltung vorstellen.

Die Netzagentur wartet bis 26. Februar erst einmal auf Kommentare zu den Vorschlägen und offenen Fragen des Abschlussberichts. Danach werde man "gegebenenfalls" ein Konzept zur Zusammenschaltung veröffentlichen, das neben den Abrechnungsfragen auch Qualitätsstandards und die Zahl der Zusammenschaltungspunkte sowie deren Funktion beinhalten soll. (Monika Ermert) / (pmz)