Kritischen Journalisten droht in Äthiopien die Todesstrafe

In Äthiopien wurde die Web-Zensur eingeführt. Unabhängige Online-Informationen haben in dem von tiefen Konflikten gezeichneten Land an Bedeutung gewonnen, da seit Herbst verschiedene Printmedien verboten oder am Zugang zu Druckereien gehindert sind.

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Seit über einem halben Jahr geht die äthiopische Regierung hart gegen kritische Journalisten und Oppositionspolitiker vor. Nun hat Reporter ohne Grenzen die stille Einführung von Web-Zensur in dem nach Einwohnern sechzehntgrößten Land aufgedeckt. Unabhängige Online-Informationen haben in dem von tiefen inneren und äußeren Konflikten gezeichneten Land an Bedeutung gewonnen, da seit Herbst verschiedene Printmedien unmittelbar verboten oder am Zugang zu Druckereien gehindert sind.

Im November waren hunderte Personen, darunter unter anderen etwa 15 führende Journalisten, Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen, die Köpfe der Lehrer-Vereinigung und Oppositionspolitiker verhaftet werden. Insgesamt rund 85 Häftlinge stehen wegen Hochverrats, Aufhetzung, Organisation eines bewaffneten Aufstands und/oder Völkermords unter Anklage. Nach Einschätzung von amnesty international handelt es sich bei allen Inhaftierten um gewaltlose politische Gefangene. Bei einer Verurteilung droht ihnen die Todesstrafe.

Wie die Organisation Reporter ohne Grenzen, die sich international für die Pressefreiheit einsetzt, mitteilt, sind seit 17. Mai diverse regierungskritische Websites von Äthiopien aus nicht mehr erreichbar. Betroffen sind Online-Auftritte der Opposition, von Rebellengruppen, Nachrichtenseiten und private Blogs – darunter der komplette blogspot.com. Am 23. Mai bat Reporter ohne Grenzen den äthiopischen Informations- und Kulturminister Berhan Hailu um Aufklärung darüber, ob es sich um eine absichtliche Blockierung des Zugriffs oder um ein technisches Gebrechen handle. Eine Antwort ist bisher nicht bekannt. Vielmehr werden inzwischen mindestens drei weitere Sites blockiert. International sind alle betroffenen Server erreichbar.

Gegenüber dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) hat Berhan Hailu die Web-Zensur bestritten. Ein Regierungsvertreter, der nicht genannt werden möchte, soll auf das äthiopische Telekom-Unternehmen ETC verwiesen haben, welches entsprechende Anfragen von CPJ aber nicht beantwortet hat.

Laut amnesty international waren bereits vor einem Jahr Tausende Oppositionelle, die gegen angeblichen Wahlbetrug demonstriert hatten, "festgenommen und unter sehr schlechten Haftbedingungen in Gewahrsam gehalten" worden. "Einige von ihnen wurden zudem brutal verprügelt. Nach einigen Wochen kamen sie nach kurzen Anhörungen gegen Kaution frei", schreibt die Organisation. Die Polizei soll auch mehrmals mit scharfer Munition gegen zunächst friedliche Demonstranten vorgegangen sein und so für Dutzende Tote und hunderte Verletzte direkt verantwortlich sein.

Mit einem Handbuch für Blogger und Cyberdissidenten versucht Report ohne Grenzen, kritische Berichterstatter zu unterstützen. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)