Computex

Watt-o-Mania: Trends und Irrwege bei PC-Netzteilen

Die ersten PC-Netzteile mit 1000 und mehr Watt Ausgangsleistung kommen auf den Markt. Doch längst nicht alle Hersteller sehen ihr Heil in Kilowatt-strotzenden Kleinkraftwerken.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 438 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Während AMD und Intel inzwischen das Energiesparen auch bei Desktop-Prozessoren zur Tugend erhoben haben, reibt sich der Computex-Besucher beim Blick auf so manchen Stand der Hersteller von PC-Netzteilen verwirrt die Augen: Da werden allen Ernstes PC-Kleinkraftwerke mit Leistungen jenseits der 1-kW-Marke angepriesen. Begründet wird dieser Leistungsbedarf dann gern mit dem immensen Leistungsbedarf moderner Grafikkarten. Um hier allerdings auch nur in die Nähe von 1000 Watt zu kommen, sieht etwa Enermax ein System mit vier leistungsstarken Prozessorkernen, vier Grafikkarten im Quad-SLI-Verbund und stolzen 24 Festplatten vor. Auch unter dieser Last, behauptet der Hersteller stolz, würde das brandneue Modell "Galaxy EGA1000EWL" nicht in die Knie gehen. Ab Juli soll es im Handel zu haben sein, ein Preis stand allerdings noch nicht fest.

Doch Enermax steht als Anbieter kraftstrotzender Stromversorger nicht alleine da: Bei Seventeam entdeckten wir das laut Hersteller im vierten Quartal verfügbare Modell ST-1000EAD; Tagan verspricht beim Modell "Turbojet TG-1100-U95" sogar eine Ausgangsleistung von 1,1 kW. Der schwarze Bolide soll für 399 Euro auf den Markt kommen, sein 900-Watt-Pendant (TG-900-U95) wird für 299 Euro angeboten.

Allen kW-Boliden ist derzeit aber eines gemeinsam: Sie können sich nicht mit dem schicken "80+"-Logo schmücken. Ihr elektrischer Wirkungsgrad liegt nämlich nicht in allen geforderten Bereichen jenseits von 80 Prozent. Besonders bei geringer Last (20 Prozent der Nennleistung) verpulvern sie noch viel zu viel Energie.

Andere Anbiete wie etwa Cooler Master, FSP und Seasonic haben die Prioritäten deshalb anders gesetzt: Statt mit hoher Ausgangsleistung wollen sie lieber mit hohem Wirkungsgrad überzeugen. Die Modelle aus der iGreen-Serie von Cooler Master sind mit Ausgangsleistungen von 430 bis 600 Watt zu haben und sollen auch bei geringer Last einen Wirkungsgrad von mindestens 81 Prozent aufweisen. FSP bietet seine FXEpsilon-Netzteile als 600- und als 700-Watt-Version (FX700-GLN) an und verspricht für beide Modelle ebenfalls einen Wirkungsgrad von mehr als 80 Prozent.

Bei Seasonic heißen die Energiesparer "S12Energy+" und werden derzeit als 550- und 650-Watt-Version angeboten. Um den Wirkungsgrad der Netzteile künftig noch weiter zu steigern, ohne damit die Herstellungskosten ins Unermessliche zu treiben, denkt man bei Seasonic übrigens auch darüber nach, den Weitbereichseingang (90-264 Volt) künftig auf einen Bereich von 180 bis 264 Volt einzuengen. Damit müsste man zwar für Länder mit 110-Volt-Stromnetzen spezielle Versionen anbieten, unter dem Strich würde sich das aber dennoch rentieren, da weltweit nur knapp 20 Prozent der Netzteile in 110-Volt-Gebiete verkauft würden.

Effizienz- und vor allem zuverlässigkeitsteigernd würde sich freilich auch noch der Verzicht auf die so genannte "modulare" Verkabelung auswirken. Statt die Kabel für die Laufwerksversorgung und Co. direkt im Netzteil zu verlöten, werden diese gerade bei höherwertigen Netzteilen immer häufiger über zusätzliche Buchsen an der Netzteilrückseite angeschlossen. Dadurch gibt es diverse, eigentlich überflüssige Steckverbindungen mit dem unvermeidlichen Kontaktwiderstand. Besonders arg treibt es hier beispielsweise Silverstone bei seinem 600-Watt-Modell ST60F. Hier wird sogar der stets benötigte 20- beziehungsweise 24-polige Anschluss für die Mainboard-Versorgung hinten aufs Netzteil aufgesteckt. Das sieht zwar auf den ersten Blick schick aus, birgt aber bei Leitungen, über die durchaus einmal 20 und mehr Ampere fließen können, ein nicht zu vernachlässigendes Risiko. Allerdings traut sich derzeit kaum ein Hersteller, auf das Gimmick "modulare Verkabelung" zu verzichten, befürchtet man doch, dass der Markt Netzteile mit direkt angelöteten Anschlusskabeln nicht als hochwertig akzeptiert.

Eine weitere Kuriosität rund um das Thema Stromversorgung entdeckten wir bei Tagan und FSP: Separate, in einen freien 5,25"-Schacht eingeschobene Zusatznetzteile sollen hier dafür sorgen, dass das vorhandene Netzteil nicht von leistungshungrigen Grafikkarten überfordert wird. Die zusätzliche Stromversorgung speist dann ein bis zwei Grafikkarten, während sich das bereits vorhandene Netzteil um den Rest des PCs kümmert. Bei Tagan befindet sich das Extra-Netzteil noch im Prototyp-Stadium, SPI ist bereits einen Schritt weiter und bereitet gerade die Serienfertigung des "Booster X3" getauften Geräts vor. Es soll laut Datenblatt 300 Watt liefern und sich automatisch aktivieren, wenn der PC eingeschaltet wird. (gs)