EU-Gremien im Clinch über Vorratsdatenspeicherung

Zwischen dem Ministerrat auf der einen und der Kommission sowie dem Parlament auf der anderen Seite entwickelt sich ein Machtkampf über die Zuständigkeit für die geplante pauschale Überwachungsmaßnahme.

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Zwischen dem Ministerrat auf der einen und der Kommission sowie dem Parlament auf der anderen Seite entwickelt sich ein Machtkampf über die Zuständigkeit für das Gesetzgebungsverfahren rund um die Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten im Telekommunikationsbereich. Ursache ist, dass die diversen Entwürfe für einen Rahmenbeschluss zur Verabschiedung der Maßnahme zur pauschalen Überwachung der Telekommunikationsnutzer aus dem EU-Rat seit längerem auf heftigen Widerstand bei Datenschützern und Bürgerrechtlern, der Wirtschaft, nationalen Abgeordnetenhäusern wie dem Bundestag sowie dem EU-Parlament stoßen.

Nun beißt das Ministergremium mit seinen Plänen, Telcos und Internetprovider zur mindestens ein- bis dreijährigen Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung aller Internet- und Telefondienste anfallen, zu verpflichten, auch bei der EU-Kommission zunehmend auf Granit. "Die Kommission hat sich unserer Rechtsauffassung angeschlossen, wonach die Vorratsdatenspeicherung kein Instrument allein der dritten Säule der Union ist", erklärte Alexander Alvaro, Berichterstatter des EU-Parlaments für das umkämpfte Ratsprojekt, gegenüber heise online. Der EU-Rat sei von dieser Haltung der Kommission auch bereits in Kenntnis gesetzt worden. Bei der im Raum stehenden Maßnahme geht es um die Vorhaltung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung aller Internet- und Telefon-Dienste anfallen, also um die Anlage gigantischer Datenberge.

Der FDP-Politiker hat am gestrigen Dienstag im Bürgerrechtsausschuss der Volksvertretung in Brüssel sein Positionspapier vorgestellt. Er bringt darin massive Zweifel an der Maßnahme vor und empfiehlt, diese größtenteils im Rahmen der ersten Unionssäule zu behandeln. In dieser wird das allgemeine Gemeinschaftsrecht gemäß des Mehrheitsprinzips unter Mitsprache des Parlaments entworfen. Für die Sicherheitspolitik im Rahmen der dritten Säule sind die Ratsmitglieder mehr oder weniger allein zuständig. Das Parlament hat dort bislang kein Mitentscheidungsrecht.

Generell hat Alvaros wegweisendes Papier seinen Angaben nach "hundertprozentige Zustimmung" in der Ausschusssitzung gefunden. Alle Fraktionen hätten sich gemeinsam gegen die Ratspläne ausgesprochen, freut sich der Jungpolitiker. Ein ebenfalls anwesender Vertreter der Kommission habe die im Dokument ausgedrückte Meinung geteilt. Schon einige Tage vorher machten Gerüchte in Brüssel die Runde, dass die Kommission das Verfahren an sich ziehen und einen eigenen Entwurf erarbeiten wolle.

Auf der Arbeitsebene des Rates werden die Vorlagen für einen Rahmenbeschluss zwar inzwischen hinter vorgehaltener Hand ebenfalls als "unrealistisch" gehandelt, doch die Mitgliedsstaaten wollen sich das Verfahren keineswegs aus der Hand nehmen lassen. Der juristische Dienst des Ministergremiums muss nach der Mitteilung der Kommission an den EU-Rat über den geplanten weitgehenden Umzug des Verfahrens in die erste Säule eine Entscheidung treffen. Sollte sich kein Kompromiss zwischen den EU-Körperschaften finden lassen, müsste der Streit um die Zuständigkeiten auf dem Gerichtsweg ausgetragen werden. (Stefan Krempl) / (anw)