Trotz Gesundheitskarte: Klinik-IT tritt auf der Stelle

Die Informationstechnologie im Gesundheitswesen bewegt sich mit angezogener Handbremse voran: Verantwortlich sind die angespannte finanzielle Lage in vielen Bereichen des Gesundheitswesens sowie die Komplexität der Markt- und Entscheidungsstrukturen.

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Von
  • Carsten Meyer

Die Informationstechnologie im Gesundheitswesen bewegt sich mit angezogener Handbremse voran: Verantwortlich sind die angespannte finanzielle Lage in vielen Bereichen des Gesundheitswesens sowie die Komplexität der Markt- und Entscheidungsstrukturen. Die deutschen Kliniken sollten sich nach Meinung des Branchendienstes Experton Group nicht allein auf das "Leuchtturm"-Projekt Gesundheitskarte verlassen: Die am 1. April 2007 in Kraft getretene Gesundheitsreform, zusammen mit der Umsetzung der Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) und den generell klammen Gesundheitsbudgets, werde den Kostendruck weiter verschärfen; dies führe zur Schließung, Privatisierung oder Zusammenlegung von Krankenhäusern. Den akkumulierten Investitionsstau beziffert die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bereits auf rund 50 Milliarden Euro. Nach Schätzungen der Experton Group entfallen davon rund fünf Milliarden Euro auf die Informationstechnologie.

Das Mega-Projekt "Elektronische Gesundheitskarte" (eGK) soll auf der Infrastrukturseite langfristig für mehr Effizienz sorgen. Doch bis heute ist jedoch noch kein verlässlicher Einführungstermin absehbar. Führende Kliniken wollen das Heft nun selbst in die Hand nehmen: Sie gehen vermehrt lokale oder regionale Projekte zur Einführung von elektronischen Patientenakten oder regionalen Versorgungsnetzwerken an. Damit greifen sie einer späteren freiwilligen Ausbaustufe der Gesundheitskarte vor.

Kritiker des eGK-Vorhabens bemängeln, dass der Fokus des Mega-Projektes an der falschen Stelle liege und die Patientenakte mehr kurzfristigen Nutzen biete. Die aktuellen Entwicklungen zeigen gleichwohl den akuten Bedarf an derartigen Lösungen. "Gleichzeitig ist aber nicht auszuschließen, dass die Entwicklung zu einem Wildwuchs führt, der später – im Zuge der Standardisierung durch die eGK – bereinigt werden muss", meint hierzu Wolfram Funk von der Experton Group. "Deshalb sollten die Kliniken und IT-Anbieter bereits heute auf offene Architekturen wie etwa SOA (Service-Orientierte Architekturen) setzen."

Während die Kliniken dem Thema e-Health insgesamt eher aufgeschlossen gegenüber stehen, sind die niedergelassenen Ärzte oftmals skeptisch, obwohl selektive IT-Investitionen auch für kleinere Arztpraxen sinnvoll sind. Organisationen wie die Freie Ärzteschaft (FÄ) mutmaßen, dass speziell die elektronische Gesundheitskarte nur den Profitinteressen der IT-Industrie diene. "Trotz aller Kritik von Lobbygruppen darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade die IT-Branche Innovationen im Gesundheitswesen maßgeblich vorantreibt", so Wolfram Funk. Sie öffne damit potenziell die Tür für eine neue Dimension von Qualität und Effizienz in einer Branche, die lange Jahre sehr veränderungsresistent gewesen ist. Bei diesen Aktivitäten gehe es um viel mehr als nur die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Neben der eGK-Einführung und der Patientenakte unterstützen Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie die Einrichtungen des Gesundheitswesens in vielen Themenfeldern, darunter die Vernetzung im Klinikbereich, Telemedizin, RFID und Information Lifecycle Management (ILM). (cm)