Sechs Jahre Wikipedia

Auch wenn sich in letzter Zeit die Kritik häufte, war es der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Heute vor sechs Jahren startete die freie Online-Enzyklopädie unter der Domain wikipedia.com.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Die Wikipedia feiert Geburtstag. Heute vor sechs Jahren startete die freie Online-Enzyklopädie unter der Domain wikipedia.com. Dies war der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Das damals verkündete Ziel, irgendwann einmal 100.000 Artikel zu erreichen, wurde schon in einem Jahr übertroffen. Heute enthält die Wikipedia weit über fünf Millionen Artikel mit zirka zwei Milliarden Wörtern. Die Enzyklopädie ist eines der beliebtesten Internetangebote der Welt: In der Statistik des US-Anbieters Alexa steht die freie Internetenzyklopädie heute auf Platz 12, noch vor kommerziellen Angeboten Amazon oder eBay.

Die Popularität des Angebots verursacht mittlerweile hohe Kosten: Der Unterhalt von Infrastruktur und Personal kostet pro Monat 75.000 Dollar. Dabei arbeitet die gemeinnützige Wikimedia Foundation am absoluten Minimum. Weniger als 10 Angestellte kümmern sich um die Verwaltung des internationalen Vorzeige-Projekts, die Hauptarbeit wird von Freiwilligen bewältigt.

Das vergangene Jahr war ein bewegtes Jahr für Wikipedia. Das fünfjährige Jubiläum stand noch ganz im Zeichen des Skandals um den US-Journalisten Seigenthaler, dem ein Witzbold per Wikipedia eine Verwicklung in das Attentat auf den US-Präsidenten John F. Kennedy unterstellt hatte. Das Vorzeigeprojekt geriet damals in die breite Kritik und konnte sich bis heute nie ganz davon befreien.

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales versuchte dem Problem durch eine Qualitätsinitiativen zu begegnen: So sollen in Zukunft für unangemeldete Benutzer nur Artikelversionen angezeigt werden, die von bewährten Wikipedia-Nutzern freigeschaltet wurden. Damit soll der allgegenwärtige Vandalismus auf den Seiten des Projekts wesentlich reduziert werden. Doch die Einführung dieser gesichteten Versionen verzögert sich inzwischen schon über ein halbes Jahr. In einem zweiten Schritt sollen Wikipedia-Artikel auch auf faktische Korrektheit geprüft werden. Um diese geprüften Versionen gibt es noch keine Einigkeit im Projekt: So ist nicht klar, wer die Berechtigung zur Absegnung der geprüften Versionen bekommen und wie mit den Artikeln dann weiter verfahren werden soll.

Obwohl sich mittlerweile auch Firmen an der Entwicklung der Software MediaWiki beteiligen, fehlen der Wikimedia Foundation die Kapazitäten für die schnelle Umsetzung solcher weitgehenden Änderungen. Chefentwickler Brion Vibber arbeitet derzeit an der Begradigung der mittlerweile 600 Datenbanken von Wikipedia und den Schwesterprojekten. In Zukunft soll die Nutzeranmeldung vereinheitlicht werden: Ein Benutzeraccount gilt dann für alle Wikimedia-Projekte.

Im vergangenen Jahr widmete sich die Wikimedia Foundation vor allem der eigenen Umorganisation. So ließ die gemeinnützige Stiftung ihre Finanzen von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kontrollieren, der Anwalt Brad Patrick wurde als Interims-Geschäftsführer eingestellt.

Die wichtigste personelle Änderung fand jedoch an der Spitze statt: Im Herbst verzichtete Wikipedia-Gründer Jimmy Wales darauf, noch einmal für den Vorsitz der von ihm gegründeten Wikimedia Foundation zu kandidieren. Seine Nachfolgerin Florence Nibart-Devouard muss das große Experiment Wikipedia nun in geordnete Bahnen lenken und die Organisation auf neue Füße stellen. Dabei hilft ihr der auf mittlerweile sieben Mitglieder gewachsene Wikimedia-Vorstand. Ein neues Beratergremium mit Beziehungen zu Wirtschaft und Institutionen soll in nächster Zeit vorgestellt werden. Größte Herausforderung derzeit ist die Beschaffung von ausreichenden Geldmitteln, um mit dem Wachstum der Wikipedia Schritt zu halten.

Auch international expandierte die Stiftung im vergangenen Jahr: In Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz entstanden neue Wikimedia-Organisationen. Diese lokalen Organisationen sind formal unabhängig, haben jedoch mit der Wikimedia Foundation in Florida Abkommen über die Verwendung der Markenrechte. In zehn weiteren Ländern ist die Gründung von lokalen Wikimedia-Organisationen geplant. Damit nimmt Wales Vision eines "Roten Kreuzes für Informationen" langsam Gestalt an. (Torsten Kleinz) / (jk)