Die unendliche Festplatte

Das Start-up Bitcasa will zahlenden Nutzern unbegrenzten Speicherplatz in seinem Rechenzentrum verkaufen – und nutzt dazu clevere Kompressionsalgorithmen.

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Von
  • Tom Simonite

Das Start-up Bitcasa will zahlenden Nutzern unbegrenzten Speicherplatz in seinem Rechenzentrum verkaufen – und nutzt dazu clevere Kompressionsalgorithmen.

Festplatten werden zwar ständig größer, doch immer mehr Multimedia-Daten sorgen dafür, dass deren Kapazität gleich wieder zur Neige geht. Eine mögliche Lösung für das Problem will nun das amerikanische Start-up Bitcasa einführen: Die Firma verspricht Kunden unendlich viel Speicherplatz in ihrer Server-Cloud im Internet.

"Schauen Sie sich dieses Fenster an", erklärt Bitcasa-Mitbegründer Tony Gauda, "es zeigt 18 verfügbare Terabyte. Das ist aber deshalb nur so wenig, weil der Dateimanager keine größeren Zahlen versteht. Eigentlich müsste da "unendlich" stehen."

Bitcasa befindet sich derzeit in einer eingeschränkten Betaphase – Nutzer, die bereits mitmachen dürfen, zahlen 10 Dollar im Monat für Speicherplatz ohne Limit. Die Software läuft derzeit auf Apple-Rechnern, eine Windows-Version befindet sich aber genauso in Entwicklung wie Varianten für Smartphones und Tablets. "Der Nutzer soll unendlich viel Platz für seine Daten haben und von überall aus zugreifen können", sagt Gauda. "Mit Bitcasa braucht man sich nie wieder eine neue Festplatte zu kaufen."

Der Speicherplatz auf dem entfernt liegenden Cloud-Server wird dabei von der Software als lokal ausgegeben – die Bitcasa-Treiberprogramme sorgen für diese Illusion. Wenn der Nutzer dann ein Fenster seines Finders oder Windows Explorers öffnet, wirkt es so, als seien alle Daten und Ordner lokal gespeichert.

Sobald eine Datei aus der Bitcasa-Cloud geöffnet wird, wird sie so schnell wie möglich heruntergeladen. "Das Netzwerk ist heute gut genug, dass es zur Festplatte werden kann", meint Gauda. Tests der Firma hätten gezeigt, dass es Nutzern mit einem ordentlichen Breitbandanschluss gar nicht mehr auffalle, ob sie nun einen Film aus dem Netz per Streaming betrachteten oder ihn von der lokalen Festplatte abspielten.

Dazu bedient sich Bitcasa allerdings einiger Tricks. So wird ständig sichergestellt, dass die neuesten Dateien lokal vorliegen, damit die Auswirkungen von Netzwerkproblemen oder Verbindungsausfällen so klein wie möglich sind. "Wir analysieren, wie Daten verwendet werden. Wir schauen uns an, wie alt eine Datei ist, wann sie zuletzt benutzt wurde. Davon ausgehend entscheiden wir dann, was in der Cloud landet. Man kann aber auch bestimmte Ordner auswählen, die dann immer lokal gespeichert bleiben." Urlaubsfotos, die ein paar Jahre alt sind, würden dann beispielsweise standardmäßig auf dem Bitcasa-Server sitzen. Ein letzte Woche angelegtes Dokument gehört dagegen eher auf die lokale Festplatte.

Egal wie gut dieser Vorhersagealgorithmus funktioniert – es wird immer Dateien geben, die aus der Cloud heruntergeladen werden müssen, bevor sie genutzt werden können. Weil kaum jemand über einen perfekten Internet-Anschluss verfügt, dürfte Bitcasa deshalb nicht immer problemfrei laufen. Und wenn ein Rechner offline ist, ist bei bestimmten Dateien gar kein Zugriff möglich.

Das Angebot einer "unendlichen" virtuellen Festplatte verlangt von Bitcasa außerdem, viel Speicherplatz in seinem Rechenzentrum vorzuhalten. Dabei dienen spezielle Kompressionsalgorithmen dazu, den Bedarf zu minimieren. Wenn es sich um eine Datei handelt, die ein anderer Bitcasa-Nutzer ebenfalls vorhält, wird diese nur einmal gespeichert – ein populäres Musikstück, beispielsweise. So spart der Dienst viel Platz.

Bitcasa ist nicht der einzige Speicherservice der so arbeitet. Dropbox, ein mittlerweile höchst populärer Synchronisationsdienst, nutzt das gleiche Prinzip, geht aber nicht ganz so weit wie der Start-up-Konkurrent. Dort muss der Nutzer einen eigenen Ordner bestimmen, der ständig mit der Cloud abgeglichen wird – und das auch auf anderen Rechnern oder Smartphones und Tablets. Die Firma bietet 2 Gigabyte kostenlosen Speicher an, 50 Gigabyte kosten 10 Dollar pro Monat. Bitcasa will nun seinen "Unendlich"-Tarif für den gleichen Preis anbieten. Damit sich das auf Dauer trägt, müssen aber wohl noch Premium-Dienste her, die mehr kosten, etwa für Unternehmen. Sonst wird der unendliche Speicher für die Firma schnell teuer: Cloud-Backup-Dienste wie Mozy verzichten mittlerweile auf solche Optionen, weil sie sich nicht auszahlten.

Risikokapital-Investor Roelhof Botha von Sequoia Capital, der die Bitcasa-Demonstration gesehen hat, fragt sich außerdem, wie die Übertragungskosten gedeckt werden sollen. "Es dürfte ziemlich teuer werden, so viele Daten zu transportieren und zu streamen."

Angel-Investor Ron Conway glaubt, dass sich Bitcasa zunächst gegen Dropbox durchsetzen müsste: Die Firma wird mittlerweile mit einem Marktwert von einer Milliarde Dollar gehandelt. Interessant sei die Technik des jungen Wettbewerbers aber durchaus: "Dieses Videostreaming scheint mir etwas zu sein, was andere Dienste so nicht können." (bsc)