EU-Parlament: Mehr Datenaustausch jetzt, mehr Datenschutz später

Das Europäische Parlament hat drei Vorhaben verabschiedet, die den Datenaustausch zwischen den Mitgliedsländern und EU-Behörden verbessern sollen. Auch der Datenschutz soll berücksichtigt werden, steht aber im EU-Rat noch nicht auf der Tagesordnung.

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Von
  • Monika Ermert

Das Europäische Parlament hat am gestrigen Donnerstag mehrheitlich für drei verschiedene Vorhaben gestimmt, die den Datenaustausch zwischen den Mitgliedsländern und EU-Behörden verbessern sollen. Allen voran soll die Übertragung des Prüm-Vertrages in EU-Recht einen EU-weiten Durchgriff für Strafverfolger auf Fingerabdruck-, DNA- und KFZ-Datenbanken sowie andere Datensammlungen der Mitgliedsstaaten erlauben. Der Prüm-Vertrag ist ein internationaler Vertrag zwischen Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Holland, Österreich und Belgien aus dem Jahr 2005, der den Durchgriff der nationalen Polizeibehörden auf Datensammlungen der anderen Partner erleichtern soll. Neben DNA-Daten, Fingerabdruckdateien und KFZ-Daten sind im Prüm-Vertrag auch Daten über Großdemonstrationen erfasst. Deutschland und Östereich hatten vor wenigen Tagen als erste den automatischen Zugriff der Strafverfolger auf die Fingerabdruckdaten der beiden Länder ermöglicht.

Eine EU-Verordnung und ein Ratsbeschluss sollen außerdem den Aufbau und die Zugriffsmöglichkeiten von EU-Behörden auf ein gemeinsames Visa-Informationssytem (VIS) ermöglichen. Angesichts der neuen Datenflut für EU-Ermittler und -Behörden kam der Rat endlich auch einer alten Forderung des Parlarments nach und legte einen neuen Entwurf für den Datenschutz im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit vor. Allerdings steht bei der Ratstagung in der kommenden Woche lediglich die Beschlüsse zur Übernahme des Vertrags von Prüm in EU-Recht und zum Visa-Informationssystem zur endgültigen Verabschiedung an, erklärte der deutsche Liberale Alexander Alvaro, Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten. Beim Datenschutz werden die Minister einmal mehr über den "Sachstand informiert".

Alvaro befürchtet nun, dass sich der Rat mit den Datenschutzbestimmungen erneut Zeit lassen wird. Aus Sicht des Parlaments ist das ein Ärgernis: Es war dem Rat bei der VIS-Verordnung, bei der es mitentscheiden konnte, entgegengekommen und hatte dafür vom Rat eine Zusage erhalten, dass der Rahmenbeschluss zu Datenschutz nach langem Anlauf nun rasch über die Bühne gehen solle. Baroness Sarah Ludford von den britischen Liberalen und Berichterstatterin für VIS begrüßte die Bemühungen der deutschen EU-Präsidentschaft zum Datenschutz. "Tatsache ist allerdings, dass diese Anstrengungen bislang fruchtlos geblieben sind. Die europäischen Minister finden es leichter, sich auf Sicherheitsmaßnahmen zu einigen als auf den damit zusammen hängenden Schutz der Rechte des Einzelnen." Dabei sei der Datenschutz gerade angesichts wachsender Bedrohungen der Privatheit durch europäische und transatlantische Initiativen von großer Wichtigkeit. Ohne entschiedene Maßnahmen zum Schutz der Bürger müsse man früher oder später mit einem öffentlichen Aufstand gegen Überwachung und Ausspähung rechnen.

Ludford beklagte, dass die VIS-Debatte im Parlament auch schon unter dem Motto "Bekämpfung des Terrorismus" geführt wurde. Es gehe dabei um eine Verbesserung des Visa-Systems und einer besseren Regelung der Immigration. Visa-Betrug oder Visa-Shopping sollen vermieden und natürlich auch potenzielle Terroristen ausfindig gemacht werden. Dazu wird der Zugriff von EU-Behörden im Visa-Antragsverfahren auf die in der Regel laut Vorschlag des Parlaments für maximal fünf Jahre gespeicherten persönlichen Daten der Visa-Nehmer ermöglicht. Die zentrale VIS-Datenbank soll zunächst von der Kommission, später aber von einer eigenen EU-Agentur geleitet werden.

Alvaro sagte, neben der Umsetzung des Prüm-Vertrags, der auf dezentrale Datenhaltung und den Zugriff aller Strafverfolger der Mitgliedsländer auf alle Datenbanken setze, stehe gleichzeitig auch noch eine zentrale Fingerabdruckdatei im Rat zur Debatte. Manchmal wisse die Rechte wohl nicht mehr, was die Linke tue. "Die Frage ist", ergänzte Alvaro zur Umsetzung des Prüm-Vertrags, "ob das machbar ist, auch in technischer Hinsicht." Auch wenn der DNA-Datenaustausch zwischen Deutschland und Österreich gut funktioniere, sei die Übertragung des Modells auf 27 EU-Mitgliedsstaaten eine andere Dimension. "Wir haben in den Beratungen immer wieder um eine Studie zu den Auswirkungen gebeten", meinte Alvaro. Allerdings sei das Vorhaben in Rekordzeit von der deutschen Präsidentschaft durchgepeitscht worden. Dem Parlament blieben für die Stellungnahme gerade mal drei Monate. Dann mussten sich die Parlamentarier von der deutschen Präsidentschaft noch anhören, es bleibe keine Zeit dafür, die Parlamentsvorschläge zu berücksichtigen. Unter anderem hatte das Parlament die Einbeziehung von Vorschlägen des EU-Datenschutzbeauftragten gefordert.

Wie Ludford ist Alvaro zudem skeptisch mit Blick auf den Ratsbeschluss zum Datenschutz. Alvaro kritisierte den Versuch der Kommission, die Bestimmungen auf eine Reihe von Grundprinzipien zu begrenzen. Es gebe schlicht keine Einigkeit unter den Mitgliedsstaaten für ein hohes Datenschutzniveau in der Union. DNA-Datenbanken wie die in Großbritannien geplante zur Erfassung aller Bürger gäben durchaus Anlass zur Besorgnis. Alvaro sagte überdies, die Tatsache, dass es Regeln für den geregelten Zugriff auf die "mentale", "politische" oder "kulturelle" Identität gebe, zeige vor allem erst einmal, dass solche Daten gesammelt würden: "Ich weiß nicht, was die mentale Identität sein soll." (Monika Ermert) / (jk)