"Future Security" ist "Homeland Security"

Im Unterschied zur klassischen Sicherheitsforschung im militärischen Bereich spielt die zivile Komponente eine zentrale Rolle auf dem Kongress "Future Security", der vor allem den Bürgerschutz und den Schutz kritischer Informationsstrukturen thematisiert.

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Von
  • Detlef Borchers

In Karlsruhe eröffnete Anette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, den 1. deutschen Sicherheitsforschungskongress. Unter dem Konferenzmotto "Future Security" diskutieren etwa 300 Experten die Zukunft der Sicherheitsforschung. Im Unterschied zur klassischen Sicherheitsforschung im militärischen Bereich spielt die zivile Komponente eine zentrale Rolle auf dem Kongress, der vor allem den Bürgerschutz und den Schutz kritischer Informationsstrukturen thematisiert. Dementsprechend wird der Sicherheitsforschungskongress vom neuen Fraunhofer Verbund für Verteidigungs- und Sicherheitsforschung (VVS) veranstaltet.

In ihrer Grundsatzrede machte Forschungsministerin Schavan deutlich, dass eine zu enge Interpretation von terroristischer Bedrohung "nicht zielführend" sei. Vielmehr müsse es darum gehen, mit einem "systemischen Ansatz" eine neue Phase der Sicherheitsforschung einzuleiten, die systemische Ansätze und Erkenntnisse der Sozialwissenschaften berücksichtige. In Abstimmung mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble habe darum das Ministerium für Bildung und Forschung die Federführung bei dem Projekt übernommen, eine neue nationale Strategie zur zivilen Sicherheitsforschung zu formulieren. Rund 100 Millionen Euro sollen in das neue Sicherheitsforschungsprogramm fließen, dessen Agenda Ende 2006 vorgestellt werden soll. Bereits Anfang 2007 sollen dann die ersten Fördermittel in konkrete Projekte fließen. Bislang haben Schavan zufolge drei Expertenworkshops mit 250 Beteiligten stattgefunden, die die "prioritären Forschungsbereiche" über die Beschreibung von Szenarien definierten. Drei formulierte Szenarien definieren nach Schavan die Stoßrichtung der neuen Sicherheitsforschung:

  • Szenario Ausfall der Energieversorgung
  • Szenario Panik unter Menschen unterschiedlicher Kulturen an einem Ort
  • Szenario Sicherstellung der Internetverfügbarkeit

Für alle drei Szenarien sollen innovative Sicherheitslösungen entwickelt werden, die Kommunikations- und Versorgungssysteme robuster gegen Katastrophen und von vorneherein für Angreifer unattraktiv machen. Als Beispiel für die proaktive neue Sicherheitsforschung erklärte Schavan: "Dass die E-Mail-Dienste für Handys vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erst dann als sicherheitskritisch eingestuft wurden, nachdem sie bereits verbreitet waren, zeigt das Problem."

In der Grundsatzrede von Schavan bekam die klassische Wehrforschung keine besonders guten Noten, vor allem weil sie nach Ansicht der Ministerin zu teuer ist. "Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr setzen nicht nur modernste Technologien ein, sie bedienen sich auch neuester sozial- und kulturwissenschaftlicher Erkenntnisse, wenn es darum geht, in Afghanistan eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Umgekehrt wissen wir auch, dass heute nicht mehr die wehrtechnische, sondern die zivile Forschung führend bei der Erschließung neuer Technologie ist. Ein Wissenstransfer allein von der Wehrtechnik in die Sicherheitstechnik macht daher keinen Sinn. Innovative Sicherheitstechnik kann – vor allem was kosteneffiziente Lösungen angeht – weit stärker von der zivilen, oft für Massenmärkte entwickelten Hochtechnologie profitieren", erklärte die Ministerin.

Hintergrund dieser Aussagen ist ein vom Forschungsministerium in Gang gesetzter Evaluationsprozess über die Effizienz aller zivilen und militärischen Forschungsinstitute in Deutschland durch den Wissenschaftsrat. Diese Bewertung soll Ende 2006 abgeschlossen sein und hat zum Ziel, dass die entsprechenden Militärforschungsinstitute wie etwa die FGAN ab 2008 in die Struktur der Fraunhofer-Gesellschaften eingegliedert werden können. Gegen diese Fraunhoferisierung wehren sich die Wehrforscher beharrlich.

Schavan stellte ihre Ausführung zu einem neuen Sicherheitsforschungsprogramm in den Kontext des 7. europäischen Forschungsrahmenprogramms, das im Januar 2007 beginnt und bis zum Jahr 2013 laufen soll. Im Rahmen dieses Programms sollen für die Sicherheitsforschung 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Eigens für dieses Programm soll beim Bildungs- und Forschungsministerium (BMBF) eine "nationale Kontaktstelle für Sicherheitsforschung" eingerichtet werden: "Ich gehe davon aus, dass etwa 20 Prozent des europäischen Budgets nach Deutschland fließen können." Zum Beginn der EU-Ratspräsidentschaft werde darum das BMBF eine große europäische Konferenz zur Sicherheitsforschung im März 2007 in Berlin abhalten, erklärte die Ministerin. (Detlef Borchers) / (jk)