Experten kritisieren Beschlagnahme von Domains in den USA

Der französische Modekonzern Chanel hat von einem Gericht im US-Bundesstaat Nevada hunderte Domains wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen beschlagnahmen lassen. Der Vorgang war möglicherweise rechtlich nicht einwandfrei.

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Der US-Bundesrichter Kent J. Dawson aus Nevada hat in den vergangenen Monaten per einstweiligen Verfügungen rund 600 Domains beschlagnahmen lassen, weil mit ihnen angeblich Markenrechte verletzt wurden. Die Domains wurden dem Webhoster GoDaddy übertragen, der die Adressen auf eine Website mit Dokumenten zu dem Gerichtsverfahren (2:11-cv-01508-KJD-PAL) weiterleitet. Außerdem forderte Dawson die Inernetdienstleister Facebook, Twitter, Google, Bing und Yahoo dazu auf, die Websites aus ihren Indizes zu streichen. Geklagt hatte der französische Modekonzern Chanel, der sich darüber beschwerte, dass über die betreffenden Websites gefälschte Waren vertrieben wurden.

Der IT-Blogger Eric Goldman und andere Experten stellen das Prozedere in Frage. Goldman erläutert, Chanel habe zunächst im September und im Oktober insgesamt 400 Domains beschlagnahmen lassen. Im November folgten 200 weitere. Chanel habe also die ursprüngliche Klage nach und nach erweitert, wobei nicht klar sei, ob es sich jeweils um den selben Beklagten handele. Es sei rechtlich problematisch, gegen eine Partei als Platzhalter zu klagen und die Klage beliebig zu erweitern – sofern zwischen den Beklagten keine konzertierte Aktion nachgewiesen werden kann.

Fragwürdig sei auch, warum Chanel Nevada als Gerichtsstand ausgesucht hat, zumal keine der Domains dort registriert gewesen seien. Obendrein seien in das Verfahren mit Facebook, Twitter, Google und anderen unbeteiligte Unternehmen hineingezogen worden, erläutert Goldman. Er und andere Experten monieren, Richter Dawson habe sich verhalten, als sei der in den USA umstrittene "Stop Online Piracy Act" (SOPA) bereits verabschiedet. Das geplante Gesetz sieht unter anderem vor, dass Provider gerichtlich gezwungen werden können, den Zugang zu den Websites, auf denen Urheberrechte verletzt werden, auch auf DNS-Ebene zu sperren.

Chanel hatte einen Privatermittler aus Nevada damit beauftragt, bei drei der zuletzt 228 monierten Websites Waren zu bestellen. Diese seien nach Lieferung von Chanel als Fälschung deklariert worden. Die anderen 225 Websites seien nach Begutachtung als markenrechtlich bedenklich befunden worden. Für Dawson habe dies für seinen Beschluss der Domainbeschlagnahme ausgereicht, berichtete das US-Magazin Ars Technica. Chanel musste 20.000 US-Dollar hinterlegen, die als Schadenersatzzahlung an einen Beklagten fällig werden, falls sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass dessen Domain zu Unrecht beschlagnahmt wurde. (anw)