Mittelstand kritisiert Brüsseler Task Force zu Informationstechnologien

Sechs Interessensvertretungen von kleinen und mittleren Unternehmen haben die EU-Kommission aufgefordert, die Zusammensetzung ihrer Projektgruppe zur Zukunft von Informations- und Kommunikationstechnologien zu überprüfen.

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Sechs Interessensvertretungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) haben die EU-Kommission aufgefordert, die Zusammensetzung ihrer Projektgruppe zur Zukunft von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu überprüfen. In einem offenen Brief werfen die Wirtschaftsverbände der Brüsseler Behörde vor, bei der Besetzung der Task Force den Mittelstand größtenteils außen vor gelassen zu haben. Dabei würden KMU laut einer Statistik des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) 80 Prozent der Datenverarbeitungsbranche ausmachen. Der Ausschluss der "wirtschaftlichen Mehrheit" in dem Panel sei besonders problematisch, da der Mittelstand letztlich hauptsächlich die geplanten Regulierungsvorhaben mehr oder weniger ausbaden müsste.

"Die Idee, dass wir eine EU-weite Politik und Gesetzgebung ohne die Berücksichtung einer breiten Basis schaffen können, ist längst diskreditiert", begründet FFII-Präsident Pieter Hintjens den Aufruf im Namen seiner 3500 Mitgliederfirmen aus dem IT-Sektor. Die EU müsse weniger "elitär" werden, um vor der öffentlichen Meinung standzuhalten. Die Unterzeichner des Briefes, zu denen neben auch der Mittelstandsdachverband CEA-PME, die deutsche Interessensvertretung PatentFrei.de, die britische Professional Contractors Group sowie eine polnische und eine slowenische Softwarevereinigung gehören, würden der Kommission lieber jetzt ihre Mitarbeit anbieten, bevor die Behörde künftig nach der Präsentation ihrer "marktschädigenden Vorschläge" auf "Massenproteste" stoße.

Marco Schulze von PatentFrei.de gibt ferner der Hoffnung Ausdruck, dass die Kommission dieses Mal den tatsächlichen Ursprung der ökonomischen Kraft in Form der KMU in Betracht zieht. Europa könne es sich nicht länger leisten, seine Politik auf die Wünsche einer finanziell kräftigen Minderheit abzustellen. "Es sieht so aus, als ob die Task Force nur vorgibt, die Interessen des Mittelstands zu vertreten", ergänzt Stefan Zickgraf von CEA-PME, die 250.000 Firmen zu ihren Mitgliedern zählt.

Die Kommission will mit der Anfang Juni eingesetzten Arbeitsgruppe im Rahmen einer fünfmonatigen Debatte Hindernisse beseitigen, die dem Wettbewerb und der Wettbewerbsfähigkeit in der Wachstumsbranche entgegenstehen. Die Task-Force besteht aus 25 Vertretern der IKT-Branche und anderen Beteiligten, zu denen etwa Manager von Philips, Nokia, SAP, Intel, IBM, Cisco, Microsoft, der Deutschen Telekom oder Siemens gehören. Ihre Diskussion soll sich insbesondere auf das Zusammenwachsen neuer Technologien konzentrieren.

Einen weiteren Schwerpunkt stellt das Streitthema geistige Eigentumsrechte dar, bei dem die versammelten Wirtschaftsexperten etwa dem Zusammenhang gewerblichen Schutzrechten, Forschungsausgaben und der Innovationsförderung auf den Grund gehen sollen. Die EU-Kommissarin für die Informationsgesellschaft Viviane Reding möchte mit der Projektgruppe gewährleisten, "dass die IKT-Branche Europas ihre führende Rolle in der Welt behauptet." Die Task Force soll dazu eine Studie erstellen und bis Ende des Jahres politische Empfehlungen direkt an die Kommission abgeben.

Unter den sechs Arbeitsgruppen der Task Force findet sich auch eine, die sich speziell dem Thema "KMU und Unternehmergeist" widmen soll. Erstaunlich sei, dass auch hier fast durchgehend Großunternehmen und Verbände wie CompTIA oder EICTA an Bord sind, die laut PatentFrei.de "zu einem erheblichen Teil noch nicht einmal europäische Unternehmen vertreten". Koordiniert wird die KMU-Projektgruppe von Patrick Bertrand, Manager bei der französischen Firma Cegid, die auch Mitglied in der European Software Association (ESA) ist. Das Unternehmen hat über 2000 Mitarbeiter und erzielt einen Jahresumsatz von 224 Millionen Euro, was weit über die Grenzen der Mittelstandsdefinition der EU hinausgeht. Die im Oktober gegründete ESA wiederum agiert laut dem FFII als eine Triebfeder des Microsoft-Lobbying in Europa. (Stefan Krempl) / (jk)