Cloud gegen Krankheit

Der Kommunikationsgerätespezialist Qualcomm will Gesundheitsmonitoring-Systeme online bringen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • David Talbot

Der Kommunikationsgerätespezialist Qualcomm will Gesundheitsmonitoring-Systeme online bringen.

Mehr als 133 Millionen Amerikaner leiden unter chronischen Krankheiten. Viele dieser Menschen würden davon profitieren, wenn ihr Zustand regelmäßig auch zu Hause kontrolliert werden könnte. Das Problem: Viele derzeit verfügbare Gesundheitsmonitoring-Systeme für den heimischen Einsatz – vom Blutdruckmessgerät bis zum Atemtester – sind nicht online, so dass der Patient die Daten manuell an seinen Arzt weitergeben muss.

Eine neue Service-Plattform des Kommunikationsunternehmens Qualcomm soll das ändern: Ein einfaches Kästchen kann die Signale von Geräten dutzender Hersteller auslesen, sie zusammenfassen und über eine Mobilfunkverbindung an eine Cloud-Datenbank schicken, die dann vom behandelnden Arzt eingesehen werden kann.

"Die Dienstleister im Gesundheitswesen werden künftig dafür bezahlt, dass sie ihre Kunden gesund erhalten, statt sie immer nur dann zu behandeln, wenn sie krank sind", meint John Halamka, Professor an der Harvard Medical School und IT-Verantwortlicher am Beth Israel Deaconess Hospital. "In Zukunft wird ein ständiges Monitoring zu Hause mit regelmäßigen Eingriffen seitens der Ärzte viele Krankenhausaufenthalte ersetzen." Das, was Qualcomm da plane, unterstütze solche Arbeitsabläufe.

Die Firma hat dazu eine eigene Abteilung namens Qualcomm Life gegründet, die die neue Kommunikationslösung vermarktet, sich um die Cloud-Datenbank kümmert und Partnerschaften mit Geräteherstellern pflegt. Die Plattform soll alle medizinischen Standards einhalten. "Sie ist außerdem technikneutral und kann mit fast allem arbeiten, was es auf dem Markt gibt", meint Rick Valencia, Vizepräsident von Qualcomm Life. Was allerdings noch fehle, sei ein Abrechnungssystem zwischen den Geräteanbietern und den Krankenversicherungen.

Andy Castonguay, leitender Analyst für Kommunikationsgeräte bei Informa, meint, dass derzeit viele Mitspieler an ähnlichen Lösungen arbeiteten, das Qualcomm-System aber das erste Produkt sei, das eine "Drop & Play"-Lösung für Heimanwender darstelle. "Noch gibt es Hürden wie fehlenden Dienst- und Bezahlelemente – aber sobald die fertig sind, kann jemand die Box einfach aufstellen und sie dann als zentrale Kommunikationseinheit nutzen."

Zu den derzeit verwendbaren Geräten gehören Blutdruckmesser für Menschen mit hohem Blutdruck, Blutzuckermonitore für Diabetiker, elektronische Wagen, die vor Wassereinlagerungen warnen, um Herzprobleme zu vermeiden sowie Atemtestgeräte für Menschen mit Lungenkrankheiten und Asthma.

Mehr als die Hälfte der Patienten, die unter chronischen Krankheiten leiden, könnte von einer Online-Anbindung ihrer Medizingeräte profitieren, meint Qualcomm-Manager Valencia. Der Anteil ist jedoch noch verschwindend gering: Für jedes Online-Gerät gibt es vier, denen derzeit noch der Anschluss fehlt. Der Grund sind vor allem technische Schwierigkeiten. Die Situation ist in Amerika so schlimm, dass Menschen mit Schlafapnoe-Syndrom die Werte ihrer Überwachungsgeräte oft noch abschreiben müssen, um sie dann an ihre Versicherung faxen.

Halamka meint, dass solche Geräte immer wichtiger werden, je stärker die Gesellschaft altert. Und die Gesundheitspolitik setzt zunehmend darauf, dass Ärzte auch zwischen Praxisbesuchen einen Blick auf den Zustand ihrer Patienten werfen können.

Konkurrierende Lösungen zu Qualcomm existieren – etwa mit Smartphone-Anbindung. Theoretisch könnte ein solches Gerät, das immer mehr Menschen in der Tasche haben, eine ähnliche All-in-one-Lösung bieten. Das Problem: Derzeit haben viele Telefone die Drahtlos-Empfänger wie ZigBee noch nicht, die für Medizingeräte notwendig wären. Außerdem fehlt es an Zertifizierungen für den Medizinbereich.

"Es gibt zahlreiche Apps, mit denen man Blutzucker oder Blutdruck überwachen kann, aber da fehlt stets die Möglichkeit, klinische Entscheidungen herbeizuführen. Ein sicherer Rückkanal ist nicht gegeben", meint Analyst Castonguay. (bsc)