Unkontrollierte Ausdehnung der Europol-Befugnisse befürchtet

Der britische Rechtsprofessor Steven Peers kritisiert scharf den Vorstoß der EU-Kommission, den Tätigkeitsbereich der europäischen Polizeibehörde deutlich zu erweitern und ihre vertragliche Grundlage aufzuweichen.

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Der britische Rechtsprofessor Steven Peers kritisiert scharf den Vorstoß der EU-Kommission, den Tätigkeitsbereich der europäischen Polizeibehörde deutlich zu erweitern und ihre vertragliche Grundlage aufzuweichen. In einer Analyse (PDF-Datei) für die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch schreibt das Mitglied des Human Rights Centre der Universität Essex, dass durch das Vorhaben "die Macht nationaler Parlamente zur Kontrolle der Europol-Entwicklung eingeschränkt und die Ausdehnung der Befugnisse und Kompetenzen Europols beschleunigt wird." Die in Den Haag ansässige Behörde würde in eine Art Bundespolizei für die gesamte EU verwandelt, die auf nationale Datenbanken frei zugreifen und die darin gespeicherten Informationen in eigene Systeme einbauen könnte. Zugleich würde Europol mehr operative Eingriffsmöglichkeiten erhalten.

Gemäß dem vom EU-Rat vorbereiteten Plan der Kommission soll statt dem von allen nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten regelmäßig zu bestätigenden Europol-Übereinkommen ein einfacher Beschluss des Ministergremiums das künftige juristische Fundament des Polizeiamtes bilden. Gleichzeitig sollen die Europolizisten ihre Ermittlungen nicht mehr nur auf den Bereich des organisierten Verbrechens konzentrieren, sondern auch bei grenzüberschreitenden schweren Straftaten aller Art tätig werden sowie unter anderem die Internet-Überwachung forcieren. Schwerpunktmäßig soll Europol dabei gegen terroristische Bestrebungen und Kinderpornographie vorgehen.

Auf der formal-institutionellen Ebene würden den nationalen Volksvertreter mit diesem Vorschlag noch stärker als bisher Möglichkeiten aus der Hand genommen, etwa mit Aufträgen zum Einlegen eines Vetos gegen Befugniserweiterungen an ihre Regierungen Einfluss auf die Gestaltung der Polizeibehörde zu nehmen. Gerade die Bestimmungen zur Umsetzung entsprechender substanzieller Ratsbeschlüsse müssten im Gremium der Regierungsvertreter künftig nur noch mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, sodass sich quer stellende Mitgliedsstaaten deutlich einfacher zu überstimmen seien.

Im materiellen Rechtsbereich sollen die Eurocops laut dem Kommissionsentwurf gemeinsame Ermittlungsteams mit den entsprechenden "kompetenten Behörden der Mitgliedsstaaten" bilden dürfen, die dann auch operational tätig werden. Allein für den Einsatz von nicht näher definierten "Zwangsmitteln" wären dabei weiter ausschließlich die nationalen Stellen verantwortlich. Die Einhaltung der "öffentlichen Ordnung" soll Europol jedoch durchaus mit überwachen dürfen. Eine verstärkte Kooperation ist ferner mit den Zollbehörden vorgesehen.

Zugleich ist geplant, dass das Polizeiamt neue Informationssysteme über das bisherige, von Datenschützern bereits immer wieder kritisierte Europol-Computersystem hinaus aufbauen darf. Die Regulierung dieser weiteren Datensammlungen wäre ein Fall, die der Rat mit Mehrheitsbeschluss festsetzen könnte. "Europol könnte so beispielsweise eine Datenbank mutmaßlich gewalttätiger Demonstranten schaffen oder eine mit verdächtigen Terroristen oder Päderasten", führt Peers aus. Nationale Strafverfolgungseinheiten wiederum hätten einfacheren Zugriff auf das bestehende Computersystem in Den Haag.

Im Kommissionsentwurf ist dem Professor zufolge zudem von der Einführung eines "Verfügbarkeitsprinzips" die Rede, wonach Europol nach Belieben auf Polizeidatenbanken in den Mitgliedsstaaten zugreifen könne. Der Anfang sei bereits mit den Zugang der Europolizisten zum Schengener Informationssystem im Oktober gemacht worden. Der Vertrag von Prüm sehe hier weitere Vereinfachungen vor. Von einem verbesserten Aufsichtsverfahren für Europol durch parlamentarische Kräfte oder Datenschutzbeauftragte sei in Brüssel dagegen nirgends die Rede. Vielmehr könnte auch der Europäische Gerichtshof nicht einmal mehr in jedem Fall angerufen werden, da nicht alle Mitgliedsstaaten für allgemeine Ratsbeschlüsse im Sicherheitsbereich entsprechende Befugnisse erteilt hätten.

Der Kommission wirft Peers letztlich vor, die Untersuchung zu Auswirkungen ihres Vorschlags "ohne Evaluierung des bestehenden Status und der Reputation Europols" unternommen zu haben. Die Folgen der ausgeweiteten Befugnisse für das Polizeiamt würden nicht weiter bedacht. Für bezeichnend hält der Rechtsexperte es weiter, dass der Ausbau Europols in weiten Teilen dem des Bundeskriminalamts gleiche. Aus dessen Reihen hat sich bislang die Europol-Spitze rekrutiert. Nicht einmal annähernd sind laut Peers aber die Rechenschaftspflichten der Den Haager Einrichtung mit denen einer nationalen Polizeikraft vergleichbar angewachsen. (Stefan Krempl) / (jk)