Kommission für Jugendmedienschutz unterliegt im "Schönheitsstreit"

Die Kommission für Jugendmedienschutz kann keine allgemeinen Sendezeitregeln für TV-Sendungen aussprechen. Diese müssen vielmehr auf einzelne Sendungen bezogen sein.

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Von
  • Monika Ermert

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) kann keine allgemeinen Sendezeitregeln für TV-Sendungen aussprechen. Diese müssen vielmehr auf einzelne Sendungen bezogen sein, urteilte die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin (Az. VG 27 A 236.04) in einem Verfahren, das die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) gegen die KJM angestrengt hatte. Anlass des Streits war die Ausstrahlung von drei Folgen der Sendung "I want a famous face" im Jahr 2004, in dem gezeigt wurde, wie sich Jugendliche per Schönheitsoperation in ihre Stars verwandeln lassen wollten. Mehrere ähnliche Sendeformate hatten zu einer Debatte über die mögliche Gefährdung von Jugendlichen geführt.

Der Beschluss der KJM, das gesamte Sendeformat in die Zeit nach 23 Uhr zu verbannen, ist rechtswidrig, stellte das Verwaltungsgericht fest. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für eine derartige allgemeine Sendezeitbeschränkung. Vielmehr dürfe eine Beschränkung nur für den Einzelfall ausgesprochen werden. Im Übrigen sei "die Umschreibung der betroffenen Sendungen zu unbestimmt und damit zu weitgehend gewesen".

Für die Arbeit der FSF noch wichtiger könnte zudem der zweite Teil des Urteils sein, in dem das Verwaltungsgericht eine im Zusammenhang mit der inkriminierten Sendung veröffentlichte Pressemitteilung der KJM beanstandete. Darin hatte die KJM der FSF vorgeworfen, sie habe die rechtlichen Grenzen des ihr zustehenden "Beurteilungsspielraums" überschritten und "unter anderem versäumt hat, eine Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern oder Jugendlichen nach dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag zu prüfen". Das stimmt so nicht, urteilten die Verwaltungsrichter. Vielmehr habe die FSF die Sendungen sehr wohl geprüft. Ob das Ergebnis zutreffend sei, sei "danach nicht mehr zu prüfen gewesen". Die falsche Behauptung der KJM könne aber der Arbeit der FSF schaden, da sie ein schlechtes Licht auf deren Arbeit werfe. "Die Kommission für Jugendmedienschutz wurde deshalb außerdem verpflichtet, die Behauptung zu widerrufen," heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

Die KJM kommentierte, man werde sich aus Gründen der Transparenz und der notwendigen öffentlichen Diskussion auch weiterhin zu Grundsatzfragen des Jugendschutzes äußern. Das Gericht habe übrigens zu Unrecht angenommen, dass der Grundsatzbeschluss zur Sendezeitbeschränkung eine "verbindliche Regelung" darstelle. Der KJM-Vorsitzende und Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) Wolf-Dieter Ring meinte: "Aufgrund des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses, der aus gesellschaftlicher Sicht in Fragen des Jugendschutzes unerlässlich ist, halte ich es für wichtig, Beschlüsse der Jugendschutzaufsicht transparent zu machen. Frühzeitige Aussagen zu kritischen Programmentwicklungen bieten den Fernsehveranstaltern Orientierungshilfen für geeignete Sendezeiten. Die Herausgabe einer Pressemitteilung kann nicht als Richtlinie missverstanden werden, sondern dient der Aufklärung der Öffentlichkeit." Ob die Jugendmedienschützer Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen, halten sie sich noch offen.

Die KJM wurde mit den aktuellen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz  (JugendschutzgesetzJuSCHG, und für die KJM der JugendmedienschutzstaatsvertragJMStV) eingerichtet, die am 1. April 2003 in Kraft traten. Nach dem Jugendschutzgesetz müssen beispielsweise auch Computerspiele wie zuvor Kino- und Videofilme mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein. Alle neuen Medien, auch Internetseiten, können zudem künftig auf den Index gesetzt werden und damit Sperrungsverfügungen unterliegen. Erweitert und verschärft wurden außerdem die Verbote für schwer jugendgefährdende Medien. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag verpflichtet Anbieter von "Telemedien" unter anderem, Jugendschutzbeauftragte zu bestellen oder sich an eine Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen und lizenzierte Filterprogramme einzusetzen, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu pornografischen, aber auch allgemein "entwicklungsbeeinträchtigenden" Inhalten zu verwehren. Darüber hinaus verfolgt der Jugendmedienschutz nach den aktuellen Festlegungen das Konzept der so genannten "regulierten Selbstregulierung". Dabei müssen sich Anbieter von Telemedien einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle (wie etwa der FSF) anschließen. Diese werden von der KJM zertifiziert, die auch die Einhaltung der Regeln überwacht, aber nur im Notfall vorab selbst eingreift. (Monika Ermert) / (jk)