Im Europäischen Patentamt wird erneut gestreikt

Mit einem Warnstreik in München und einer Demo in Bern wollen die Patentprüfer auf Konflikte des Verwaltungsrates zwischen nationalen und europäischen Interessen sowie ihre Unzufriedenheit mit dem Management hinweisen

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Im Europäischen Patentamt (EPA) gärt es weiter: Am kommenden Dienstag wollen Prüfer der Einrichtung mit einem Warnstreik am Hauptsitz in München sowie einer Demonstration in Bern vor dem Schweizer Patentamt, dem Institut für geistiges Eigentum, ein weiteres Mal auf Missstände innerhalb der Behörde und bei den dahinter stehenden Strukturen aufmerksam machen. Aufgerufen zu den Protestaktionen hat die Internationale Gewerkschaft des Europäischen Patentamtes (SUEPO).

Mit der Kundgebung und dem Ausstand wollen die Patentprüfer auf Konflikte des Verwaltungsrates zwischen nationalen und europäischen Interessen sowie auf ihre Unzufriedenheit mit dem Management hinweisen. Diese ist nach einer Umfrage (PDF-Datei) innerhalb der Belegschaft durch das Institut Research International im vergangenen Jahr überaus hoch. So ist die Zufriedenheit mit dem Verwaltungsrat im Vergleich zu 2004 von acht Prozent auf sechs Prozent weiter gesunken. In den Keller gestürzt ist das Vertrauen in den EPA-Präsidenten Alain Pompidou, der Ende Juni das Szepter an die Britin Alison Brimelow übergibt: Nur sieben Prozent der Mitarbeiter der Einrichtung stehen hinter dem Franzosen, während es zwei Jahre zuvor zumindest noch 28 Prozent waren.

Patentprüfer und Gewerkschaftsführer des EPA hatten gemeinsam mit ihren Kollegen aus den USA, Kanada, Österreich und Deutschland bereits Mitte April Alarm geschlagen, da sie die Qualität der Patenterteilung und damit den Bestand des ganzen Systems angesichts wachsender Produktivitätsvorgaben und zunehmend komplexerer Anträge auf gewerbliche Schutzrechte nicht mehr gewährleistet sehen. Während man für den Erhalt eines qualitativ hochwertigen Patentes streite, "profitieren die nationalen Patentämter wirtschaftlich vor allem von der Quantität der erteilten europäischen Patente", heißt es nun bei der SUEPO. Schließlich flössen die jährlichen Erneuerungsgebühren für jedes europäische Patent zu 50 Prozent an die nationalen Patentämter. Die entsprechende Summe werde sich in 2007 auf rund 250 Millionen Euro belaufen.

Wer diese massiven wirtschaftlichen Vorteile für das eigene Land vor Augen habe, bemängelt die Gewerkschaft des EPA, könne nicht gleichzeitig im Interesse eines verbraucherorientierten, unabhängigen und vor allem zentralen europäischen Patentwesens entscheiden. Zusätzlich kritisieren die Gewerkschaftler massiv den Vorschlag der Schweizer Delegation im Verwaltungsrat des EPA, der eine neue Steuerregelung der Mitarbeiter-Pensionen vorsieht. Die Verwirklichung des Schweizer Vorschlages würde der SUEPO zufolge letztendlich zu einer ungerechtfertigten jährlichen Mehrbelastung von 80 Millionen Euro für das EPA führen, während die 32 Mitgliedstaaten der hinter dem EPA stehenden Europäischen Patentorganisation diesen Betrag einsparen könnten. Sollte der Verwaltungsrat des EPA im Sinne der Schweizer Delegation entscheiden, so würde er nach Ansicht der Gewerkschaft seine eigene, europäische Institution zugunsten nationaler Interessen übervorteilen. Ein solcher Beschluss liege nahe, da sich der Verwaltungsrat hauptsächlich aus Vertretern der 32 nationalen Patentämter zusammensetzt.

Die Schelte der Gewerkschaft knüpft auch an der Ämterverquickung in der Person von Roland Grossenbacher an, dem derzeitigen Präsidenten des Verwaltungsrates. Denn dieser sei zugleich auch der Direktor des Schweizer Patentamtes. Zudem leite er die Schweizerische Delegation im EPA-Verwaltungsrat, die den umstrittenen Vorschlag zur Abschaffung der so genannten "Steuerausgleichszahlung" für Pensionäre des EPA lanciert hat. Zuvor hatten die Mitarbeiter des Europäischen Patentamtes im Dezember nach Protestaktionen im Mai und im Oktober bei einem Streik "Zeit für Qualität" gefordert. Das EPA-Management setzte daraufhin ein heftig umstrittenes Bewertungssystem zumindest bis Ende 2007 aus. Gewerkschaftsvertreter kritisieren, dass die neuen Prüfkriterien unter dem Titel PAX (Productivity Assessment for Examiners) allein auf Quantität angelegt seien.

Zum Patentwesen allgemein sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)