50 Jahre Künstliche Intelligenz

Der Begriff "Artificial Intelligence" wurde vor 50 Jahren im Rahmen eines zweimonatigen Workshops, der weitgestreuten Einfluss auf die weitere Entwicklung der AI haben sollte, als offizieller Name für eine neue Forschungsdisziplin akzeptiert.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute beginnen in den USA die Feierlichkeiten zum 50. Namenstag der "Artifical Intelligence" (AI). Dieser Begriff wurde vor 50 Jahren im Rahmen eines zweimonatigen Workshops am Dartmouth College als offizieller Name für eine neue Forschungsdisziplin akzeptiert. Der Name "Artificial Intelligence" stammte von John McCarthy, der ihn am 31. August 1955 in seinem Projektantrag benutzte, mit dem er bei der Rockefeller-Foundation um Gelder für die Tagung warb. Der Antrag wurde bewilligt. Nach dem 4. Juli trafen die zehn Workshop-Teilnehmer ein, die das Forschungsprogramm der AI in den nächsten 20 Jahren prägen sollten. Neben den einladenden McCarthy, Marvin Minsky und Claude Shannon waren dies, in alphabetischer Reihenfolge Trenchard More, John von Neumann, Allen Newell, Nathaniel Rochester, Arthur Samuel, Oliver Selfridge, Cliff Shaw, Herbert Simon und Ray Solomonoff. Vom 13. bis zum 15. Juli wird dementsprechend in Dartmouth der Namenstag der Forschungsdisziplin gefeiert.

Fand die künstliche Intelligenz vor 50 Jahren in Dartmouth zu ihrem Namen, so war sie doch etwas älter: 1943 veröffentlichten Warren McCulloch und Walter Pitts im Bulletin of Mathematical Biophysics ihren Aufsatz "A Logical Calculus of the Ideas Immanent in Nervous Activity". In ihm entwarfen sie die Idee eines Rechenwerkes auf der Basis von Neuronen und Feedback-Schleifen, das wie eine Turing-Maschine arbeitet, die von Alan Turing erstmals im Jahre 1936 beschrieben wurde. 1951 bauten Marvin Minsky und Dean Edmonds SNARC (Stochastic NeuralAnalog Reinforcement Calculator), einen neuronalen Netzcomputer, der das Verhalten einer Maus in einem Labyrinth simulierte. Etwas Ähnliches versuchte Claude "Entropy" Shannon 1952 mit seiner Maschinenmaus Theseus zu programmieren.

Abseits der Namensgebung der "Artificial Intelligence" war der Workshop im strengen Sinn nicht unbedingt erfolgreich. Zu unterschiedlich waren die Ansichten zwischen den "Logikern", die an Expertensystemen arbeiteten, und den "Konnektionisten", die auf neuronale Netze setzten. Die Logiker brillierten auf dem Workshop mit dem von Allen Newell, Herbert Simon und Cliff Shaw vorgestellten "Logic Theorist", einem in der eigens entwickelten Information Processing Language (IPL) geschriebenen Programm, das die meisten Theoreme aus Russels und Whiteheads Principia Mathematica bewies. Der Theoretiker lief auf dem von John von Neumann entworfenen Computer JOHNNIAC. Marvin Minsky berichtete von seinen Experimenten, neuronale Netze zu entwickeln. Ein echter Konsensus wurde nicht gefunden. Entsprechend dünn liest sich das Abschluss-Statement des Workshops: "Every aspect of learning or any other feature of intelligence can in principle be so precisely described that a machine can be made to simulate it."

Die Früchte der doch sehr einflussreichen Konferenz sind weit verstreut. Marvin Minsky und John McCarthy gründeten das "AI Lab" am Massachussetts Insitute of Technology (MIT). Ray Solomoff entwickelte die algorithmische Informationstheorie. Oliver Selfridge legte mit seinem Pandemonium-Modell zur automatischen Mustererkennung die Grundlagen zu der aspektorientierten Programmierung. Trenchard More entwickelte eine Array-Theorie für die Programmiersprache APL, Arthur Samuel wurde mit seinem "selbstlernenden" Dame-Spielprogramm bekannt. Der einzige, der sich nach Dartmouth vollkommen von der künstlichen Intelligenz abwendete, war Nathaniel Rochester, der bei IBM maßgeblich den IBM 701 auf den Weg brachte.

Was die Dartmouth-Konferenz eigentlich entdeckte, war die schlichte Tatsache, dass Computer mehr können, als nur komplizierte Ballistik-Formeln zu berechnen, dass sie auch mit Symbolen und Begriffen umgehen können. Alle beteiligten Wissenschaftler hatten Erfahrungen mit den ersten "wissenschaftlichen" Rechnern wie dem Mark 1 oder dem ENIAC gesammelt. Nun zogen sie daraus drastische Konsequenzen: Die AI wurde bekannt durch ihre Sprüche. Claude Shannon, der damals am MIT arbeitete, wurde von einem über den Workshop berichtenden Reporter gefragt, ob Maschinen einmal denken können werden. "You bet. We're machines, and we think, don't we?", war seine Antwort. Der spätere Nobelpreisträger Herbert Simon stellte den "Logic Theorist" mit den Worten vor: "Over Christmas Allen Newell and I invented a thinking machine." Noch 1970 erklärte Marvin Minsky im Magazin "Life": "In from now three to eight years we'll have a machine with the general intelligence of an average human being, a machine that will be able to read Shakespeare and grease a car."

Einer der ersten Kritiker der Artificial Intelligence war Joseph Weizenbaum. Er schrieb ein einfaches Dialog-Programm namens ELIZA und konnte beobachten, wie schnell die Menschen bereit waren, der Maschine "Intelligenz" zu unterstellen. Bis heute hält er seine Kritik an der natürlichen Dummheit der künstlichen Intelligenz aufrecht. Gegenüber heise online erklärte der in Berlin lebende Weizenbaum: "Marvin Minsky, AI's senior spokesperson, surely exagerated when he, as he did a short time ago, called AI 'brain dead'. But then he knows a lot about brains, especially the artificial kinds." (Detlef Borchers) / (jk)