.berlin droht Abfuhr in Berlin

Zur Eco-Gala in Köln wurden die Initiatoren der Stadt-TLD mit einem Preis bedacht, die Senatsverwaltung in Berlin hält ihnen aber Argumente gegen eine Einführung entgegen.

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Von
  • Monika Ermert

Die dot.Berlin GmbH wurde am gestrigen Dienstagabend bei der Kölner Gala des Eco-Verbands mit dem Sonderpreis der deutschen Internetwirtschaft ausgezeichnet, den der Verband neben den Kategorien für die besten Internet-Diensteleister und Provider verlieh. dot.Berlin will im kommenden Jahr bei der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) eine eigene Adresszone für .berlin beantragen. Eco-Geschäftsführer Harald Summa wünscht den Intiatiatoren "Mut, Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen".

Durchhaltevermögen hat das Berliner Unternehmen, das eine Reihe bekannter Kommanditisten aus der Internetwirtschaft hat, bereits in den Mühlen der ICANN-Bürokratie bewiesen. Seit 2005 bemüht es sich darum, dass ICANN eine neue Vergaberunde für neue Adresszonen ausschreibt. Im kommenden Jahr soll es soweit sein. Doch Trotz Lobes aus der Wirtschaft und auch von Seiten aller Experten bei einer Anhörung jüngst im Berliner Abgeordnetenhaus, hat sich die Berliner Senatsverwaltung gegen das Projekt ausgesprochen.

Senatssprecher Michael Donnermeyer nannte nun gegenüber heise online drei Ablehungsgründe: Erstens wolle man als Stadt nicht für Adressen wie porno.berlin Verantwortung übernehmen. Würde sie den Beiratssitz in dot.Berlin annehmen, den das Unternehmen als "Kompensation für den Gebrauch unserer Marke" angeboten habe, würde sie auch die Zuteilung von Adressen wie hotel.berlin oder taxi.berlin mit verantworten. Hier solle sich der Staat neutral verhalten. Zweitens glaubt er trotz eines gewissen "Marketing-Charmes" einer .berlin-Zone nicht, dass die Städte-TLDs sich nachhaltig durchsetzen. Schon bei Rom oder München funktoniere das Konzept zum Beispiel nicht, da diese Städte sich für eine Schreibweise entscheiden müssten: Rome, Roma, Rom und München, Muenchen oder munich.

Der wichtigste Grund dürfte allerdings der von Donnermeyer hervorgehobene "Schutz der eigenen Marke" sein. "Wir haben eine eingeführte Marke berlin.de und würden dem eigenen Portal Konkurrenz machen. Da würde auch unser Vertragspartner Einspruch erheben", erläutert Donnermeyer. Berlin.de wird von der BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG gemanagt, die ein Gemeinschaftsunternehmen der BV Deutsche Zeitungsholding, der Landesbank Berlin AG und der Berliner Volksbank ist.

Die Hartnäckigkeit der dot.Berlin-Macher nennt Donnermeyer "naiv" und "nicht ganz lauter". Die Ablehnung sei dem Unternehmen bereits Anfang 2006 zugeschickt worden, dennoch habe das Unternehmen weitergemacht und versuche jetzt, den Senatsbescheid "über das Abgeordnentenhaus wieder zu kippen". Selbst wenn das Unternehmen vom Parlament grünes Licht bekäme, "wären wir immer noch nicht daran gebunden. Wir wären weiter verpflichtet, Schaden von der Stadt abzuwenden", meint Donnermeyer. Kosten könnten durch mögliche Schadenersatzklagen des Partners Berliner Verlag entstehen. Die fraglichen Vertragsbestimmungen sollen jetzt vom Berliner Abgeordnetenhaus geprüft werden, heißt es von Seiten dot.berlins.

dot.berlin arbeitet trotz der Senatsablehnung weiter an einer Bewerbung und hofft nach wie vor auf eine Einigung mit der Verwaltung. "Noch ist keine Vorentscheidung gefallen, alles ist offen," sagt dot.Berlin-Sprecher Johannes Lenz-Hawliczek. Man habe versucht, das öffentliche Interesse durch den geplanten Beiratssitz für den Senat und eine Liste von .berlin-Adressen für die Stadt zu berücksichtigen. Senat.berlin wäre dann für den Senat kostenlos zu haben, während senat-berlin.de aktuell als geparkte Seite bei Sedo zum Verkauf steht, wie ver.di-Expertin Annette Mühlberg bei der Anhörung unterstrich.

dot.Berlin hat auch für den Fall gewappnet, dass die Berliner Verwaltung bei ihrer Blockadehaltung bleibt. Einerseits verweist man auf Rückendeckung durch den Bundestag, der in einer Entschließung die Einführung von Regional- und Städtedomains ausdrücklich begrüßte. Zudem hat sich das Unternehmen per Rechtsgutachten bestätigen lassen, dass der Einspruch des Senats an rechtliche Grenzen stößt. Auch hier müsse der Staat nämlich neutral bleiben, geht aus einem Gutachten hervor. Ein ausschließliches Namensrecht darf er so nicht behaupten, um einen privaten Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Genau das könnte in Berlin passieren.

Überlegungen, das dot.berlin-Konzept bei zu viel Widerstand in der Hauptstadt mit einem anderen Berlin umzusetzen – denn bei dot.berlin hat man schon mit Berlins von Holstein bis Connecticut konferiert – weist dot.Berlin-Sprecher Johannes Lenz-Hawlizcek zurück. Allerdings sagt er: "Ich bin überzeugt, wenn dot.berlin es nicht macht, kommt später ein anderer." Warum sollte nicht ein großer Registrar wie Afilias, Neustar oder VeriSign sich mit dem Berlin in Conneticut zusammentun, um das .berlin-Geschäft abzuschöpfen. Donnermeyer reagiert auf diese Befürchtung allerdings siegessicher: "Ich glaube nicht, dass diesen Weg jemand mitgeht. Wir sind das Berlin, das gewollt wird." Allerdings: Das Berlin in Holstein ist älter, wie es betont, und Berlin in Connecticut hat derzeit eine etwas komplizierte Adresse. (Monika Ermert) / (anw)