US-Provider sollen der Musikindustrie zu Diensten sein

In einem an die Öffentlichkeit gelangten Schreiben fordert der US-Verband der Musikindustrie die amerikanischen Zugangsanbieter auf, bei der außergerichtlichen Einigung mit mutmaßlichen Filesharern zu assistieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 76 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

In ihren Massenverfahren gegen mutmaßliche Filesharer hat die US-Musikindustrie zuletzt einige Rückschläge hinnehmen müssen. Insbesondere die Entscheidung eines Richters, der US-Verband der Musikindustrie (RIAA) habe die Prozesskosten der Beklagten Deborah Foster zu tragen, könnte sich als kostspieliger Präzedenzfall erweisen. Offenbar versucht die Industrie daher nun, ihr Prozessrisiko zu minimieren. Helfen sollen ihr dabei die Zugangsanbieter.

In einem Schreiben an zahlreiche US-Provider, das der mit RIAA-Fällen beschäftigte New Yorker Rechtsanwalt Ray Beckerman in seinem Blog veröffentlicht hat, fordert die RIAA die Zugangsanbieter zu einer erweiterten Kooperation auf. Die Zugangsanbieter sollen – "im Interesse ihrer Kunden" – zwischen der RIAA und den der Urheberrechtsverletzung verdächtigten Anschlussinhabern vermitteln. Dadurch, so die Argumentation des Verbandes, könnten teure Prozesse vermieden werden und den Verdächtigen ein um "1000 US-Dollar oder mehr" vergünstigtes Vergleichsangebot unterbreitet werden.

In den bisherigen Fällen hat die RIAA in Vertretung der betroffenen Labels zumeist ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Diese so genannten "John Doe"-Verfahren sind nötig, weil die RIAA zu einer mutmaßlichen Urheberrechtsverletzung zunächst wenig mehr als eine IP-Adresse vorweisen kann. Nach der Klage gegen Unbekannt erfährt sie auf gerichtliche Anordnung dann den Inhaber des Anschlusses, an den die IP zum Zeitpunkt des Down- oder Uploads vergeben war. Damit ist nach Ansicht der Angeklagtenvertreter eine individuelle Schuld der Anschlussinhaber nicht nachweisbar. Offenbar bevorzugt die Musikindustrie es auch, das Verfahren mit einem Vergleich über eine Standardsumme (in der Regel 3750 US-Dollar) zu beenden. Aus Prozessen, in denen die Beklagten den Vergleich abgelehnt hatten, zog sich die RIAA zum Teil wieder zurück.

Diesen gesetzlich notwendigen Umweg über ein ordentliches Gericht will der Verband jetzt offenbar abkürzen. Die Provider sollen ihren verdächtigten Kunden ein von der RIAA vorbereitetes Schreiben weiterleiten, das sie über die Vorwürfe und eine bevorstehende Klage informiert. Über einen Kontakt zur RIAA sollen die Internetnutzer dann die Möglichkeit eines Vergleichs zu reduzierten Konditionen bekommen. Die ISPs sollen sich gleichzeitig verpflichten, die Verbindungsdaten für ein halbes Jahr aufzubewahren, um der RIAA im Falle erfolgloser Vergleichsverhandlungen noch die Möglichkeit einer Klage zu garantieren. Eine noch einzurichtende Website (www.p2plawsuits.com) soll bei der Abwicklung helfen. Darüber hinaus räumt die RIAA in dem Schreiben ein, dass es in der Vergangenheit auch zu "Fehlidentifizierungen" gekommen sei. Auch um das in Zukunft zu vermeiden, sollen die Zugangsanbieter besser mit der RIAA kooperieren.

"Die RIAA möchte, dass die ISPs ihre Kunden über ihre rechtlichen Möglichkeiten im Dunkeln lassen", kommentiert die Chefanwältin der Electronic Frontier Foundation (EFF), Cindy Cohn, das Vorgehen der Musikindustrie. Bevor überhaupt eine korrekte Identifizierung stattgefunden habe, sollen die Provider ihren Kunden das Vergleichsangebot der RIAA unterbreiten. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass ein solches Angebot in bestimmten Fällen auch gerne angenommen werde. "Soweit ich weiß, arbeiten die Provider noch nicht für die RIAA", schreibt Cohn weiter. "Die Provider sollten sich nicht zur Dienstmagd in der irregeleiteten Prozesskampagne der Musikindustrie machen lassen."

Unterdessen gibt sich die RIAA in dem in der Hauptsache schon verlorenen Verfahren gegen Deborah Foster noch nicht geschlagen. Der Verband kündigte an, eine Überprüfung des Beschlusses zu beantragen, der die Musikindustrie zur Übernahme der Prozesskosten der Beklagten verpflichtet hatte. Gleichzeitig beantrage die Klägerin, im Falle einer Bestätigung des Beschlusses 60 Tage Zeit für die Überprüfung der Ansprüche zu bekommen. (vbr)