Schäuble will Online-Durchsuchungen für anfangs drei Monate

Laut Medienberichten sieht der Gesetzesentwurf des Bundesinnenministeriums vor, dass Netzbespitzelungen in sonst "wesentlich erschwerten" Fällen der Gefahrenabwehr für ein Vierteljahr mit Verlängerungsoptionen gerichtlich angeordnet werden können.

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Das Bundesinnenministerium hat weitere Einzelheiten zu der geplanten Gesetzesgrundlage für die heftig umstrittenen heimlichen Online-Durchsuchungen durchsickern lassen. Laut einem Bericht des Hamburger Abendblattes sollen die Netzbespitzelungen von PC-Festplatten und virtuellen Speicherplattformen vom Bundeskriminalamt (BKA) durchgeführt werden dürfen, wenn die Gefahrenabwehr "auf andere Weise aussichtslos ist oder wesentlich erschwert wäre". Einen entsprechenden Antrag kann laut der Zeitung der BKA-Präsident oder einer seiner Vertreter stellen. Ein Richter soll dann die tief in die Grundrechte einschneidende Maßnahme für zunächst drei Monate anordnen können.

Nach Agenturmeldungen soll bei "Gefahr in Verzug" sogar allein eine Anordnung des BKA-Präsidenten ausreichen, um den so genannten Bundestrojaner in Stellung zu bringen. Binnen drei Tagen ist aber auch in diesem Fall die Bestätigung der Maßnahme durch einen Richter einzuholen. Weiter heißt es, dass die Vierteljahresfrist um "jeweils drei Monate" verlängert werden könne. Welche zeitliche Obergrenze vorgesehen ist, bleibt bislang unklar. Genauso wenig sind Einzelheiten zur technischen Realisierung der verdeckten Online-Durchsuchung bekannt. Eine Grundgesetzänderung hält Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble für die Maßnahme anscheinend nicht mehr für erforderlich. Allerdings gab es dazu auch schon andere Stellungnahmen von dem CDU-Politiker.

Gemäß Schäubles Fahrplan hätte der Entwurf für die entsprechende Novelle des BKA-Gesetzes bereits am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden sollen. Dazu kam es aber wegen Differenzen mit dem Koalitionspartner SPD beim Punkt der Netzbespitzelung nicht. Die Regierungsfraktionen werfen sich inzwischen gegenseitig vor, einen Beschluss zu dem Gesetz zu verzögern. Ohne die verdeckten Online-Durchsuchungen könne die Reform des BKA-Gesetzes "sofort kommen", erklärte jüngst SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper. Seine Partei würde dafür sogar prinzipiell kritische Punkte wie andere neue präventive Befugnisse für das BKA zur Telekommunikationsüberwachung, zur bislang wenig erfolgreichen Rasterfahndung oder zum großen Lauschangriff mittragen. Die Notwendigkeit von Online-Durchsuchungen sieht die SPD dagegen noch nicht ausreichend belegt, die entsprechenden Verfahren hält sie für technisch unausgereift. Zudem will sie erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zu entsprechenden Möglichkeiten der Netzbespitzelung in Nordrhein-Westfalen abwarten. In der SPD gibt es laut Hamburger Abendblatt angesichts von Drohungen aus der Union, bei Terroranschlägen in Deutschland auf die "Verantwortlichen" hinzuweisen, sowie unter dem Eindruck der jüngsten Terrorunruhen in Großbritannien aber auch Befürchtungen, mit der Abwehrhaltung bei Online-Durchsuchungen letztlich als Blockierer dazustehen. Auch wenn die Verhandlungen zwischen SPD und CDU festgefahren scheinen, zeigte sich ein Sprecher des Bundesinnenministeriums daher zuversichtlich: "Wir werden eine Lösung finden. Das ist schon bei ganz anderen Themen gelungen." Die Beratungen sollen nun selbst während der gerade beginnenden parlamentarischen Sommerpause weitergehen.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) (je)